Seid erreichbar füreinander!

Woher kommt dieser Wunsch nach ständiger Aufmerksamkeit? Zwei Experimente zeigen, dass wir bereits als Babys es nicht ertragen, nicht beachtet zu werden – und wie schmerzhaft das ist

Jeder trägt den Wunsch nach Bindung UND nach Freiraum

Das Bedürfnis nach Nähe und Distanz, nach Sicherheit und Exploration, ist ein immerwährender Konflikt jedes Menschen. Wir wollen Nähe, aber wir benötigen auch Zeit für uns. Wir wollen verschmelzen miteinander, aber das auch nicht immer. Um dies erfüllen und wahrnehmen zu können, müssen Partner füreinander erreichbar sein.

Weil diese Bedürfnisse der Partner nicht immer zeitgleich und dann deckungsgleich und in der gleichen Intensität erfolgen, weisen sich Menschen auch in ihren Beziehungen immer wieder zurück. Das führt zu Konflikten, weil die Partner eine Zurückweisung meist persönlich nehmen: „Würdest du mich lieben, dann würdest du mir meinen Wunsch nach Nähe erfüllen!“ prallt auf: „Würdest du mich lieben, dann würdest du mir meinen Wunsch nach Freiraum lassen!“ 

Der Wunsch nach Aufmerksamkeit ist uns angeboren

Wenn die Bezugsperson nicht erreichbar ist: Das „Still Face Experiment“ zeigt, wie wir bereits als Babys alle Register ziehen können, um Aufmerksamkeit zu erhalten. In dem Video muss die Mutter zwei Minuten lang alle Bemühungen Ihres Kindes ausdruckslos ertragen und darf nicht darauf eingehen. Es ist gut zu erkennen, welche vielfältigen Methoden bereits Kleinkinder anzuwenden versuchen, wenn sie Sorge haben, allein gelassen zu werden. Jahre später würde das Experiment mit einer Mutter, die nur ihren Smartphone-Bildschirm beachtet, wiederholt.

Das Original Still Face Experiment:

Das Still Face Experiment mit Smartphone:

Es ist deutlich zu erkennen: sich allein zu fühlen in der Gegenwart der geliebten Person ist ganz und gar furchtbar. 

Zu denken, daran würde sich ein Baby schon gewöhnen, damit könne sich ein Erwachsener doch abfinden, ist ein Trugschluss. Im Gegenteil können schwere Bindungsstörungen entstehen in der frühen Kindheit und im Erwachsenenalter sich frühe Prägungen festigen und verstärken. Das bedeutet: Kinder, die gelernt haben, dass sie Liebe nur bekommen, wenn sich um diese permanent sich bemühen, werden starke Verlustängste auch als Erwachsene zeigen. Kinder, die gelernt haben, dass sie sich besser auf sich selber verlassen, weil sie ja doch enttäuscht werden von anderen, die zeigen starke Bindungsängste.

Achtet aufeinander, seid erreichbar füreinander!

Tiefenpsychologisch gibt es in jedem einen Teil des Ichs, das zeitlos immer das Baby bleibt, das wir einmal waren. Unser Wunsch nach Verbindung und Sicherheit in einer Beziehung wird niemals ganz „erwachsen“. Deshalb: legt das Smartphone öfter weg, weist einander nicht schroff zurück. Seid dankbar für Achtsamkeit und Aufmerksamkeit und seid liebevoll und fürsorglich, wenn ihr gerade die Wünsche eures Partners oder eurer Partnerin nach Nähe nicht erfüllen könnt.


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