Mein Partner wird dement. Was passiert mit unserer Liebe?

Als Thea und ich erfahren haben, was sie hat, war das ein Schock, ja, fast wie ein Trauma. Es hat gedauert, bis wir wussten, was mit Thea los ist. Wir dachten, sie hat einen Gehirntumor, Thea hatte oft Kopfweh, ihr war schwindelig. Dann – nach etlichen zermürbenden Untersuchungen – hieß es: Alzheimer. Ich war ein paar Wochen lang überzeugt, je mehr ich über Alzheimer weiß, desto mehr kann ich die Kontrolle behalten, wenn Thea sie schon verliert. Ich habe gelesen, was mir nur in die Finger kam, Artikel, Bücher.

Bittere Erkenntnis: Die beste Liebe ist, Thea zu lassen

Im Nachhinein glaube ich, ich wollte Thea helfen, in dem ich ihr Leben in Hand nehme. Je weniger sie mit dem Alltag zu tun hat, desto intensiver kann sie sich um sich selbst kümmern, das war mein Plan. Ich habe Thea schon an Dinge erinnert, da hat ihr Gedächtnis noch prima funktioniert. Ich wollte Thea in Watte packen, ich wollte sie quasi nach dem Lehrbuch behandeln, ihr die beste Behandlung zukommen lassen, die besten Ärzte, der beste Mann. Ich wollte sofort meine Arbeitszeit reduzieren, um für Thea da sein.

Das war falsch, falsch verstandene Liebe, das habe ich schnell gemerkt. „Du bist komplett auf dem Holzweg, was deinen Umgang mit Thea angeht“, das hat mir mein bester Freund Carl schonungslos gesagt. Mit Carl kann ich mich sehr gut darüber austauschen, was mit Thea und mir geschieht. Er hat ein Auge auf jeden einzelnen von uns und auf uns beide als Paar. „Du kannst Thea nicht retten, Du kannst sie nicht heilen, Du kannst nur den Weg mit ihr gehen. Aber es macht keinen Sinn, dass du vorrennst.“ Das war Carls Botschaft an mich.

Mein Freund kennt sich aus mit der menschlichen Seele. Er ist ein weiser Mann, er ist Philosoph. Als er beobachtet hat, dass ich Thea bereits wie ein Kind behandelt habe, wo sie durchaus noch zurechtkam, hat er mich zur Brust genommen. Dafür bin ich ihm echt dankbar. Ich habe die Reißleine gezogen und traue Thea wieder mehr zu. Es gibt aus meiner Sicht keinen bekloppteren Ausdruck als `loslassen`, doch genau das habe ich getan. Ich habe mich nicht mehr darauf versteift, dass alles gut wird, wenn ich alles mache.

Was ich jetzt tue, ist, dass ich einfach die Veränderungen annehme, die unsere Partnerschaft erfährt. Ich tröste mich damit, dass Liebe sich immer wandelt, nicht nur unsere. Unsere wird allerdings besonders geprüft. Doch es gibt auch viele andere Dinge, die der Liebe passieren können, einer von uns hätte sich zum Beispiel verlieben können und damit unsere Beziehung in Gefahr gebracht.

Manchmal verliebt sich einer der Partner in einen anderen Menschen, obwohl die Partnerschaft wirklich harmonisch ist. Das kommt vor. Wir hätten um unsere Beziehung kämpfen müssen, Thea und ich. Das wäre auch furchtbar. So wie es jetzt ist, gibt es immerhin an unserer Liebe keinen Zweifel. Doch sie wird anders, ich spüre es. Ich begehre Thea zum Beispiel sehr, wir schlafen oft zusammen, vielleicht wird das eines Tages nicht mehr möglich sein. Ich habe das vor Augen, ich versuche, den Gedanken daran zu verdrängen.“

Theas Idee von Liebe: Hans soll gehen, wenn er nicht mehr kann

Wenn man Thea erlebt, denkt man zunächst nicht, dass sie Alzheimer hat, sie wirkt wach und präsent. „Ich glaube, ich kann mit der Krankheit ganz gut umgehen“, sagt sie. „Ich hatte schon immer das Talent, den Moment genießen zu können, mir nicht zu viele Sorgen zu machen. Ich habe selten Angst gehabt in meinem Leben, Hans auch nicht. Wir sind beide zupackend und optimistisch.

Bei Hans ist das jetzt manchmal anders, er ist derjenige, der oft in sich gekehrt ist, ich sehe ihm an, dass er sich damit quält, wie alles weitergehen soll. Er hat mir versprochen, dass er bei mir bleibt, dass ich nie in ein Heim muss. Mich rührt das, ich weiß, dass ich mich auf Hans verlassen kann. Doch ich möchte ihm auch noch Liebe schenken, wenn ich komplett neben der Spur bin, und das stelle ich mir so vor, dass ich ihn jetzt schon von seinem Versprechen, dass er in guten wie in schlechten Zeiten mein Mann ist, entbinde.

Ich will mich nicht damit martern, mir auszumalen, was aus mir werden könnte, aber in den Medien ist ständig von dieser Krankheit die Rede davon, was sie mit einem machen kann. Man sieht Bilder von Frauen und Männern, die nur ein Schatten ihrer selbst sind. Da lässt sich nicht schönreden. Ich selbst, die ich um Worte nicht verlegen bin, kann hier nur drastische Worte wählen: Aus mir wird ein Wrack.

In ein paar Jahren wird nichts mehr von der Thea übrig sein, die Hans geliebt hat. Ich werde immer weniger sprechen, ich werde dummes Zeug erzählen, ich werde weglaufen, und Hans muss mich suchen, ich werde aggressiv werden, ich werde mir in die Hosen machen, ich werde verfallen. Ich kann dann nicht mehr für mich entscheiden, ich tue es deshalb jetzt und sage Hans, dass er gehen soll, wenn ich unerträglich geworden bin.


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