Liebe ist eine großartige Zumutung – die muss man wollen

Und natürlich stoßen wir in einer Liebesbeziehung an Grenzen, wir sind manchmal frustriert, enttäuscht oder verärgert, aber verstetigtes Leid hat nichts mit Liebe zu tun. Hier gilt der Merksatz: Verwechseln Sie die Größe Ihres Leids nicht mit der Größe Ihrer Liebe.

Sie sagen, Liebe ist primär eine Entscheidung. Das steht im Widerspruch zur Romantisierung der Paarbeziehung, die ich gerne „Disneyfizierung der Liebe“ nenne. Wo bleibt in Ihrem Modell die Romantik, die sich Menschen so sehr wünschen?

Keine Sorge, ich wünsche allen Paaren Romantik, Disneyland und Zuckerwatte. Für viele ist dieses Erleben auch der Anfang einer Beziehung und das ist wunderbar. Allerdings ist das keine Liebe, sondern Verliebtsein und das ist etwas anderes als Liebe. Wenn Menschen daran festhalten, dass auch in der Dauer einer Paarbeziehung das Gefühl von Verliebtheit permanent anhalten soll, tappen sie in die Falle ihrer eigenen Erwartungen und das führt automatisch zu Enttäuschung und Frustration. Denn Verliebtsein kann nicht von Dauer sein, Schmetterlinge im Bauch gibt es maximal 6 bis 12 Monate, danach sorgt unser Körper verlässlich dafür, dass die Adrenalin (Aufregung)- und Dopamin (Glück)-Produktion gedrosselt wird. Was dann folgt ist eine erhöhte Oxytocin (Bindung)- und Serotonin (Sicherheit)-Produktion. Das sind aber sogenannte leise Botenstoffe, die wir zwar als angenehm empfinden, die sich aber in unseren Empfindungen nicht so aufdrängen wie die lauten Botenstoffe Adrenalin und Dopamin. Wenn ich sage: Liebe ist eine Entscheidung, dann will ich genau auf diesen Umstand hinweisen, um eine neue Sensibilität für das Wohlempfinden und die Richtigkeit in einer langjährigen Paarbeziehung zu etablieren. Denn in der Liebe werde ich eben nicht mehr von der Heftigkeit meiner Aufregungs/Glücksgefühle getragen sondern von der Leichtigkeit gemeinsam in Verlässlichkeit und Verbundenheit zu agieren.

Liebe ist also eine Entscheidung, die der Verliebtheit folgt. Die Entscheidung, zu bleiben, zu sein, in liebevoller Art den Umgang mit dem Partner zu organisieren, liebevoll und verständnisvoll zu handeln, wenn der andere Hilfe braucht, oder liebevoll und verständnisvoll zu handeln, wenn der Partner gerade nicht liebevoll und verständnisvoll agiert. Liebe ist die Erkenntnis, etwas Größeres zu gewinnen, etwas, was ich nur durch die Liebe und Hinwendung erreichen kann. Liebe ist die Sicherheit, das Richtige zu tun für die Partnerschaft, für das gemeinsame soziale System, für die Familie, auch wenn ich eigentlich gerade etwas anderes tun möchte.

Wenn Paare streiten, dann verarbeiten sie häufig unbewusst den Konflikt: Wenn du mich wirklich lieben würdest, dann würdest du mir zuliebe meine Wünsche erfüllen. Was darf ich von meinem Partner erhoffen, was erwarten und was verlangen?

Erhoffen: Alles. Erwarten: Vieles. Verlangen: Nichts. Ich kann den Konflikt in Ihrer Frage ja auch umdrehen und an mich selbst zurücksenden: „Wenn ich meinen Partner wirklich lieben würde, würde ich ihm zuliebe auf die Erfüllung meiner Wünsche verzichten. Oder die Erfüllung meiner Wünsche selbst verantworten und nicht an meinen Partner delegieren.“ Nur in dieser Spiegelung kann ein Paar eine Lösung finden.


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