In einer Beziehung als Autistin

Gewöhnungszeit

Ich war glücklich darüber, dass es ein Date war. Ich hatte ja auch Interesse an ihm. Aber trotzdem bin ich nach kurzer Zeit in Panik geraten. Ich brauche Routinen und einen strukturierten Alltag. Ich fühle mich am sichersten, wenn Dinge so laufen, wie ich es geplant habe. Dating oder sogar eine Beziehung waren so gar nicht mein Plan gewesen. Wir sind also einen kleinen Schritt zurückgegangen, um das Ganze etwas langsamer angehen zu lassen. Ich musste erst einmal Platz für ihn in meinem Alltag und meinem Leben schaffen. Das hat gut geklappt und jetzt ist er ein ganz normaler Teil meines Alltags.

Offene und direkte Kommunikation

Ich glaube, was unsere Beziehung am meisten von anderen unterscheidet, ist, dass wir sehr direkt und offen sind. Mein Freund weiß, dass er bei bestimmten Dingen direkter sein muss. Von Anfang an war er sehr offen und hat mir zum Beispiel direkt gesagt, was er für mich empfindet. Es macht ihm keine Umstände und für mich ist es einfacher, ihn zu verstehen. Ich bin selbst auch sehr offen. Er musste zum Beispiel nie viel darüber nachdenken, wie bereit ich für eine Beziehung war, weil ich ihm direkt gesagt habe, was ich fühle. Das hat es für ihn sicherlich auch einfacher gemacht.

Nachfragen

Durch meinen Autismus kann es hin und wieder zu Missverständnissen kommen. Ich kann Verhalten und Gesichtsausdrücke nicht immer perfekt deuten. Dadurch weiß ich oft nicht, wie ich reagieren soll. In solchen Situationen mache ich mir viel zu viele Gedanken. Ich bin allerdings schon seit Beginn unserer Beziehung so, dass ich offen anspreche, wenn ich etwas nicht richtig verstehe. Ich könnte mir vorstellen, dass wir dadurch Konflikten sogar besser vorbeugen als andere Paare. Ich glaube auch, dass mein Freund offener geworden ist, weil ich so direkt bin. Wenn er sich zum Beispiel mal zu viele Gedanken über etwas macht, teilt er diese Gedanken auch gleich mit mir.

Rücksicht nehmen

Noch bevor wir zusammengekommen sind, habe ich meinen Freund darauf angesprochen, dass ich Angst hatte, dass er denken könnte, er müsste auf mich Rücksicht nehmen. Das Gefühl hat er zum Glück aber nicht. Er denkt wirklich selten über meine Diagnose nach. Er sieht manche meiner Eigenheiten nicht als Symptome, sondern als normale Eigenschaften von mir. Manchmal bin ich erschöpft und wir müssen wegen mir entspannen. Da könnte man sagen, er nimmt Rücksicht auf mich. Aber so etwas kommt in jeder Beziehung vor. Es kann genauso gut passieren, dass er müde ist und ich mich ihm anpasse.

Mein Tag zum Aufladen

Eine Kleinigkeit, die bei uns eventuell noch etwas anders ist, ist, dass wir Dinge genauer planen. Wenn wir zum Beispiel überlegen, an welchen Tagen wir uns treffen, müssen wir darauf achten, dass ich am Wochenende immer einen freien Tag habe. Ich studiere Vollzeit, habe jede Woche Termine, will mich mit Freunden treffen und natürlich auch mit meinem Freund. Wenn ich da nicht einen Tag am Wochenende habe, an dem ich gar nichts machen muss, überstehe ich die nächste Woche nicht. Leute ohne Autismus laden ihre Energie oft in wenigen Stunden auf. Bei mir dauert das länger.

Eine Beziehung ist möglich

Als mein Freund und ich angefangen haben zu daten, haben wir unabhängig voneinander im Internet geschaut, was es für Informationen über Beziehungen mit Autisten gibt. Es gab wirklich wenige Geschichten, die nicht darauf fokussiert haben, wie kompliziert und anstrengend es sein kann. Ich weiß, dass es Autisten gibt, die stärker betroffen sind als ich und die das sehr beeinträchtigt. Für die kann eine Beziehung eventuell tatsächlich sehr kompliziert sein. Aber es gibt eben auch Autisten wie mich und die werden oft vergessen. Ich hoffe, dass ich mit meiner Geschichte ein paar Vorurteile über Beziehungen mit Autisten beseitigen konnte.


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