Ihr seid mein Inbegriff von Liebe

Ich habe Angst, es nicht zu packen

Ich erinnere mich an ein Gespräch, das ich mit meiner Mama führte. Bei einem Glas Rotwein saßen wir auf der Dachterrasse, wo die Sonne die letzten Reste des Tages einatmete. Ich erzählte, dass ich niemals heiraten möchte. Nein, ich erzählte es nicht nur, ich wusste es. Und meine Worte schienen so selbstsicher zu klingen, dass meine Mama kurz zusammenzuckte. „Ich weiß“, setze ich an. „Das ist nicht das, was du dir von deiner Tochter wünschst. Aber ich kann das nicht.“ Mit diesem letzten Satz ließ ich Mama mit ihren Gedanken allein, denn ich hatte keine Erklärung für mein Empfinden. Heute, drei Jahre später, habe ich die Erklärung. Es ist schlicht und einfach die Angst, mich scheiden lassen zu müssen. Es nicht zu packen. Ganz einfach zu scheitern. Zu verlieren. Gegen meine Eltern vielleicht.

Ich glaube an die große Liebe

Ob ich Mama irgendwann nun doch den Wunsch erfüllen kann zu heiraten, weiß ich nicht. Aber trotzdem glaube ich an die eine große Liebe, wie sie meine Eltern haben. Ganz einfach, weil es so unglaublich schön ist, sie zu sehen. Nicht wenn Papa mal wieder über das Essen brummt oder sie stundenlang über das Fernsehprogramm am Samstagabend diskutieren. Aber wenn sie sich tief in die Augen sehen, zusammen lachen und schweigen, Urlaubspläne schmieden, das nächste Wochenende planen, vor dem Kaminfeuer unter einer Decke sitzen, sich in die Seite piksen, durch die Haare fahren, „ich liebe dich“ sagen und es auch so meinen. Und dann sind da noch diese ganzen Rituale: Mama, die jeden Morgen den Frühstückstisch deckt und Papa, der ihr immer einen Kuss gibt, bevor er an die Arbeit geht. Mama, die zur Weihnachtszeit immer zwei Stollen backt, weil Papa sie so liebt und Papa, der im Winter extra ein bisschen früher aufsteht, um das Eis von Mamas Auto zu kratzen. Mama, die jeden Abend eine Kerze anzündet und Papa, der Bundesliga auch mal Bundesliga sein lässt und Mama im Haushalt unterstützt.

Mittlerweile wohne ich nicht mehr zuhause. Bin viele Kilometer von meinen größten Vorbildern in Sachen Liebe getrennt. Doch spätestens, wenn ich mit Mama telefoniere und ihre kurzen Atempausen bemerkte, weil Papa ihr einen liebevollen Blick zugeworfen oder sie kurz gestreichelt hat, weiß ich, dass sie sich lieben wie eh und je. Für immer. Und ewig.


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