Im Bett gibt es keine Schuldzuweisungen

Dr. Beatrice Wagner hilft Paaren, ihre Fantasien zu benennen und miteinander auszuleben. Im Interview plädiert die Autorin und Therapeutin für Offenheit, um die eigenen Grenzen lustvoll zu erweitern

In nahezu jeder Beziehung weicht die Leidenschaft irgendwann der Harmonie. Viele Paare werden dann beste Freunde aber verlieren die Lust aufeinander. Ist das der Moment, eine Therapie aufzusuchen, oder kann das Paar zunächst selbst an einem befriedigenden Liebesleben arbeiten? Und wie kann das ohne Anleitung gehen?

Durch zwei, zunächst einmal gegenläufige, Methoden. Zunächst einmal achten Sie darauf, sich im alltäglichen Leben wieder etwas fremd zu werden. Legen Sie sich wieder eigene Lebensbereiche, eigene Freunde, eigene Meinungen zu. Das Fremde begehrt man mehr als das Harmonische. Im Schlafzimmer gilt allerdings die umgekehrte Methode. Fangen Sie an, sich zu erzählen, was Sie wirklich möchten. Zeigen Sie sich mit all Ihren Wünschen und Phantasien und geben Sie sich nicht mit wortlosen Kompromissen zufrieden. Indem Sie im Bett Ihr Innerstes zeigen, entwickeln Sie sich weiter und es wird wieder aufregend.

Machen Sie nicht immer das Gleiche!

Viele Paare ziehen unverhältnismäßige Vergleiche, etwa mit den Glanzfotos der glücklichen Facebook-Freunde oder den Promi-Paaren in der Presse. Und immer provoziert das die Frage: Wie viel Leidenschaft ist denn nun normal für ein Paar?

Wer weiß schon, was unter dem zufriedenen Lächeln der öffentlichen Paare alles schlummert? Egal ist auch, wie oft Sie intim sind, solange beide zufrieden sind. Doch Folgendes ist wichtig: Machen Sie nicht immer das gleiche. Menschen sind von Natur aus neugierig und es wird öde, wenn es immer in gleichen Bahnen läuft. Und noch etwas ist wichtig: Miteinander zu schlafen ist ein Moment der Begegnung. Beim guten Liebesspiel erleben Sie zusammen höchste Momente der Lust. Ihre Gehirne synchronisieren sich dann miteinander. Sie erleben Ihre Gegenwart im gleichen Takt. Das ist etwas unglaublich Inniges und Gemeinsames. Dazu gehört, dass Sie sich selbst genauso wie den anderen wahrnehmen.

Ein Partner hat mehr Lust als der andere. Wie lässt sich ein Mittelweg finden, der schmerzhafte Abweisung ebenso vermeidet wie spaßbefreites Pflichtprogramm?

Wenn Sie beide anfangen, sich selbst zu entdecken, sich Neues zu trauen und sich zu offenbaren, erwacht die Lust an einer neuen Art der Sexualität. Da geht es dann darum, seine eigenen Grenzen neu zu definieren. Das kostet Mut und macht Spaß. Die Frage nach dem Mittelweg stellt sich gar nicht mehr.


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