Unsere Mercedes-Mentalität vergiftet die Liebe

Spießer-Romantik? Da geht mehr!

Vielleicht ist das im Bereich der Liebe so, weil wir immer höhere Ansprüche an unseren Partner stellen. Nach außen hin mag das vielleicht nicht so aussehen. Da wünscht man sich (perspektivisch) das Einfamilienhaus am Stadtrand mit zwei supersüßen Kindern und einem Partner, an dessen Seite man gerne einschläft und aufwacht. Das klingt relativ unspektakulär, durchaus realistisch und ein bisschen nach Spießer-Romantik. Aber wenn uns das gefällt – warum gehen wir diesen Weg nicht einfach, ohne dabei ständig zu maulen, zu nörgeln und zu meckern? Weil es uns eben doch nicht reicht. Wir wollen mehr. Im großen Ganzen und im Detail.

Zufriedenheit ist zu wenig

Das Beste in der Liebe oder nichts? In Anlehnung an einen anderen bekannten TV-Werbespot kann die Antwort nur lauten: Sind wir eigentlich verrückt geworden?!

Was viele von uns heute leben, ist eine irrwitzige Mischung aus sozialverträglicher Hysterie und rigorosem Perfektionismus. Die Heirat der Generation Selfie mit der Leistungsgesellschaft. Das Ergebnis ist ein riesiger Krampf, der sich leider auf immer mehr Beziehungen überträgt. Wir sind bunt, liberal, offen, ultraindividuell und gleichzeitig sind wir Maximierer, Optimierer, Perfektionierer. Das Selbst wird sowohl stilisiert als auch optimiert. Ich will uns nicht alle über einen Kamm scheren. Das wäre unfair. Es gibt sicherlich viele Gegenbeispiele. Aber es handelt sich eben doch um einen Trend. Die Frage ist, wie lange das noch gutgehen kann, ob es wirklich immer schneller, höher, weiter geht.

Best Catch oder Hampelpampel?

Der optimale Partner wäre optimal. Logisch. Das Problem ist nur, dass davon draußen nicht allzu viele herumlaufen. Selbst wenn einer mal dem eigenen Anspruch zu entsprechen scheint, lehrt uns der zweite oder dritte Blick eines Besseren.

Und doch sind wir alle ja weiterhin nur Menschen. Das werden wir nicht los. Die meisten von uns haben ein ausgesprochenes Bindungs- und Nähebedürfnis, das uns irgendwann selbst dann in die Arme eines Partners treibt, wenn wir ihn nicht als Best Catch betrachten. Ein bisschen rosarote Verliebtheit, ein bisschen schöne gemeinsame Zeit, vielleicht das laute Ticken der biologischen Uhr – und schon ist der innere Kritiker („Du sollst dir nicht irgendeinen Hampelpampel suchen, sondern den Traumprinzen!“) besänftigt. Zum Glück! Sonst gäbe es wohl keine Menschheit mehr.

Nur leider überträgt sich heutzutage diese biologisch und psychologisch völlig Sinn machende Zufriedenheit mit ihrer Mentalität des Gut-Genug und Völlig-Ausreichend nicht mehr nachhaltig auf unseren Beziehungsalltag. Schnell wird gemurrt und genörgelt. Zweifel keimen auf; und gegen Zweifel ist bekanntlich kein Kraut gewachsen. Ist etwas kaputt, wird es nicht repariert, sondern ersetzt. Nach Möglichkeit durch etwas Besseres. Wir konsumieren die Liebe allzu oft, statt sie einfach zu leben.


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