Sie hat Bock – Ein Buchtipp

Hat eine “anständige” Frau hat keine große Lust?

»Sexuelle Allesfresser«, attestiert Bergner der weiblichen Sexualveranlagung und leitet daraus zwei fast schon blasphemische Thesen ab: Erstens, dass Frauen – und nicht Männer – das lustvollere Geschlecht, und zweitens, dass sie nicht für die lebenslange Monogamie gemacht seien. Dass sie in der Mehrheit trotzdem auf diesem Liebesmodell als Ideal beharren, sei darauf zurückzuführen, dass sie sich ihre Lust nicht eingestehen. Vielleicht nicht einmal von ihr wissen. Und warum nicht? Weil sie immer und immer wieder hören, dass eine anständige Frau (im Gegenteil zur »Schlampe« übrigens) keine große Lust hat.

Ich will jetzt niemandem die Jahrtausende währende Unterdrückung durch das Patriarchat unter die Nase reiben. Okay, irgendwie will ich’s doch. Denn vor diesem Hintergrund scheint es fast schon plausibel, dass solche hungrigen Allesfresserinnen von Master-Key-Besitzern und denen, die es gerne wären, domestiziert werden mussten. Ist ja auch gruselig: Können immer, kommen mehrfach, wollen mit allen. Und dann muss man am Ende auch noch das Balg eines anderen aufziehen. Nee, das mit dem Rumvögeln soll sie mal schön sein lassen, die billige Schlampe. Zugegeben, wir sind auch schon weit gekommen in dieser Hinsicht: Früher wurde man auf dem Scheiterhaufen verbrannt, heute ist man halt billig. Ist schon nicht mehr ganz so schlimm alles.

Gleichzeitig prasseln aus allen Ecken perfekte, oder sagen wir: normschöne Frauenkörper auf uns herab. Wenn sie sich in den sozialen Medien nicht gerade selbst in vorteilhaften Posen ausstellen, wird halt der hinterletzte Staubsauger von einer halbnackten, von Photoshop gepimpten Schönheit beworben. »Wir leben in einer Welt, die den unwirklichen weiblichen Körper anbetet und echte weibliche Macht verachtet. Diese Kultur verurteilt Frauen dazu, immer so auszusehen, als seien sie verfügbar, während sie nie wirklich verfügbar sein dürfen, und zwingt uns, sozial und sexuell konsumierbar zu erscheinen, während wir selbst sexuell so wenig wie möglich konsumieren sollen«, schreibt Laurie Penny.

Kein Wunder, dass wir bei all dieser Schizophrenie kaum spüren können, was wirklich bei uns los ist. Wo unsere Lust anfängt, wo sie aufhört und was wir verdammt noch mal überhaupt wollen. Ich zum Beispiel dachte lange, ich hätte einen schlimmen Fehler im System, nur weil ich mehr Bock auf Sex hatte als die meisten meiner Partner. Und so regulierte ich mich in jeder Beziehung aufs Neue so weit herunter, bis sich zwischen meinen Beinen überhaupt nichts mehr regte. Andere Frauen lassen sich in den Mund, den Hintern oder sonst wie vögeln, obwohl sie es hassen. Oder spielen einen Höhepunkt nach dem anderen vor, weil sie mehr an ihren Typ denken als an sich selbst. Sie simulieren Lust, wo keine ist. Denn funktionieren sollen wir in der Kiste ja trotz alledem, am besten so wie die Chicks aus dem Porno, und wenn eine von uns nicht kommt, hat sie ein Problem.


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