“Melde dich, wenn du was brauchst” – Warum der Spruch fast niemanden hilft

Vermutlich jeder hat diesen Satz in einer schlechten Lebensphase schon einmal gehört: “Melde dich, wenn du was brauchst.” Warum er jedoch niemandem hilft …

Mit Essen liegt man immer richtig! 

Ich veranschauliche das an einer Geschichte aus meinem Leben. Vor zwei Jahren starb jemand, der mir sehr viel bedeutet hat. Morgens kam der Anruf, ich fiel aus allen Wolken. Ich war am Boden. Ich schrieb das einer Freundin von mir. Die Nachricht verbreitete sich in meinem Umfeld, und ich erhielt diverse SMS mit dem Inhalt: „Melde Dich, wenn Du was brauchst“. 

Ich stand im Bademantel in meiner Wohnung und wusste nicht, wo unten und oben ist. Nie hätte ich es geschafft, mich zu strukturieren. Daran zu denken, wie ich meinen Sohn versorge, wenn er hungrig nach Hause kommt. Wie ich zu meinen Angehörigen komme, die 400 Kilometer weit von mir weg wohnen. 

Was ich brauchte? Ich hätte es nicht sagen können

Von den vielen Menschen, die ich kenne, haben mir dann zwei entscheidend geholfen, ohne mir vorher zu schreiben, melde Dich, wenn Du was brauchst. Eine Freundin hatte auf dem Zettel, dass ich und auch mein Sohn auf alle Fälle etwas essen müssen und dass es gut wäre, wenn es nicht nur für den Tag reicht, sondern vielleicht auch für den nächsten. Also brachte sie ein paar Tiefkühl- Pizzen. 

Eine andere Freundin organisierte, dass mich jemand mit dem Auto zu meiner Familie bringt. Ich musste mich nicht selbst darum kümmern, ich hätte es auch nicht gekonnt. Ich stand unter Schock.  

Meine Bedürfnisse waren in diesem Moment etwas, das ich wirklich nicht offenbaren und mitteilen musste und vor allem nicht konnte. Sie lagen allerdings auf der Hand und waren mit dem gesunden Menschenverstand problemlos zu erschließen. 

Ich wollte ja keinen komplizierten Braten oder eine bestimmte Sorte Käse, die es nur in einem bestimmten Feinkostgeschäft gibt. Es war einfach wichtig, dass wir etwas in den Magen bekommen und nicht umfallen –  und dass ich zu dem Ort gebracht werde, wo ich hinwollte. Ohne mich selbst zitternd hinters Steuer zu setzen oder auf wackeligen Beinen zum Bahnhof zu stapfen. 

Was lernen wir daraus?  

Ich schlage an dieser Stelle einen Bogen zu dem, was ich eingangs angemerkt habe. Ich beziehe mich auf all die Nachrichten und Aussagen, die man von sich geben kann, wie „ich ruf Dich an”, „ich melde mich“ oder eben „melde Dich, wenn Du was brauchst.“ 

Appell: Man sollte diese Nachrichten ernst meinen und sie in die Tat umsetzen wollen. Warum? Um ein guter Mensch zu sein.  

Und weil man selbst auch in diese blöde Lage kommen könnte, dass man vergeblich auf ein Lebenszeichen wartet, weil es einem einer oder eine zugesagt hat und es ausbleibt. Man möge keinem etwas antun, was man selbst nicht getan bekommen möchte. 

Man muss sich natürlich nicht melden, wenn man das nicht möchte. Der Mensch ist frei. Aber: Wenn man es nicht möchte, besteht auch kein Grund, das Melden anzukündigen. Jede Ankündigung ist fehl am Platze. 

Man muss auch niemanden helfen, der in Not ist

Es wäre zwar prima, weil es Freude in unser Leben bringt und gerade jetzt in Zeiten von Corona brauchen wir Freude. Wir brauchen warmherzige und hilfsbereite Menschen. Es gibt aber keinen Zwang dazu, warmherzig und hilfsbereit zu sein. Man kann sich gemütlich im Sessel zurücklehnen und auf den Fernseher starren und den Rest der Menschheit ausblenden. 

Was man aber in diesem bequemen Augenblick grenzenloser Selbstbezogenheit auf keinen Fall tun sollte, ist, zum Handy zu greifen und dann die verlogenen Worte zu übermitteln: „Melde Dich, wenn Du was brauchst“. Das kann man sich sparen, weil man damit nicht nur nicht wirklich hilft, sondern darüber hinaus auch noch für weitere Enttäuschungen sorgt und weiteres Unglück in die Welt bringt.  

Fazit: Brennt irgendwo die Hütte und Du willst etwas tun, mach Dir einen Kopf, was dieser Person, deren Hütte brennt, guttut. Und tue es, tue ihr gut. Denk an die Sache mit dem Essen. Ein Topf Suppe passt immer. Wenn Du keine Suppe kochen kannst, TK Pizzen sind auch okay. Fällt Dir nichts ein, womit Du tätig werden kannst, ruf eine andere Person an, die sich damit auskennt, was der Mensch in Not brauchen könnte. Wenn keinem etwas einfällt, rufe Du höchstpersönlich den Menschen an und frage ihn, was er braucht. Unterbreite ihm am besten ein paar Vorschläge, finde heraus, ob er genug zu essen im Haus hat, Mineralwasser, Schokolade, Gummibärchen. Ob er reden möchte oder lieber nicht. 

Sei einfach da, wenn Du gebraucht wirst.  


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