Ist es Liebe oder Abhängigkeit?

Lange Rede, kurzer Sinn

Mir scheint diese Angst (über deren konkrete Herkunft ich hier schweige) ein – gewichtiger – Grund der oft beobachtbaren männlichen Bedürftigkeit und Abhängigkeit zu sein. Da ist eine innere emotionale Leere als Reaktion auf die Angst – und diese Leerstelle will (und muss) gefüllt werden. Viele Beziehungen sind solche „Füllungen“. Männer, die nicht alleine sein können (das hieße, sich der Leere und Angst auszusetzen), treibt es dann oft von Beziehung zu Beziehung.

Nicht umsonst sind die Begriffe „Beziehungssucht“ und „Beziehungs-Junkie“ unter anderem für diese Männer geprägt worden. Diese leben dann im Extremfall jene Partnerschaften, in denen der abhängige Partner, getrieben von Verlustangst (denn ein Kartenhaus ist fragil) alles für den anderen tut. Sich aufopfert, aufgibt. Um zu gefallen, um keine Kritik zuzulassen, um geliebt zu werden. Doch halt! Ist das noch Liebe?

Sorge um die Nestwärme

Wer sich freiwillig in die Abhängigkeit statt in die Bindung und Verbindlichkeit begibt – wird dessen Herzen nicht ein Leben lang in Sorge sein, dass dieser ach so sichere, stabile, emotional so befriedigende Zustand der Verbundenheit und Nestwärme in der Beziehung eines Tages mit einem Knall vorbeisein könnte? Wahrscheinlich ja, mehr oder weniger bewusst. Der Abhängige wird mit allen Mitteln an seinem Traumhaus namens Beziehung basteln. Und er ist dabei durchaus kreativ. Nörgeln gehört ebenso zu seinem Repertoire wie Schuldgefühle erzeugen, Isolierung des Partners oder das Erschaffen einer lähmenden, und zugleich passiv-aggressiv machenden Beziehungsatmosphäre.

Klingt nicht schön, ist es auch nicht. Und um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Nein, natürlich hat all das nichts, aber auch rein gar nichts mit Liebe zu tun. Der Abhängige kreist im Kreisen um den Anderen in Wirklichkeit um sich selbst. Und das ist keine Liebe. Liebt er mich wirklich? Die ironische Antwort muss wohl leider lauten: Nun ja, lieben?

Kleine Anleitung zum Glücklichsein

Gibt es für diesen Typus, der zugegeben nicht nur auf Männer beschränkt ist, ein Patentrezept? Nein: natürlich nicht. Aber es gibt einen langen, steinigen Weg, den schon einige gegangen sind, die neben der Abhängigkeitsliebe, jener Liebe zweiter Klasse, bei ihrem Partner auch einen Mut machenden Hauch von wahrer Liebe gespürt haben. Und das ist der Weg der Akzeptanz der Unsicherheit, der Verletzlichkeit, der Angst. Akzeptanz im Sinne von wirklicher Annahme. Die schrittweise Ermunterung zum Gefühlsausdruck. Das Vorleben und Miterleben. Was sich über Jahrzehnte geformt und verfestigt hat, wird sich nicht über Nacht ändern, doch es gibt Hoffnung. Und was herauskommen mag, entschädigt für alle Strapazen.


Weitere interessante Beiträge