Keine Angst vor der Wahrheit

Es sprudelt nur so aus mir heraus. Wochenlang haben sich diese Gedanken angestaut, sich mit Ängsten gemischt und jetzt kann ich nicht anders, als sie herauszulassen. Er streichelt langsam meine Hand und lässt mich quasseln, bis ich irgendwann völlig außer Atem und mit glühenden Wangen fertig bin. Er lächelt. Lächeln ist gut!

„Das ist doch vollkommen okay. Wir müssen nichts überstürzen. Ja, ich hätte dich gern jeden Tag bei mir und ich freue mich wie ein kleines Kind darauf, wenn es irgendwann soweit ist. Aber du sollst es auch von ganzem Herzen wollen und dich auf keinen Fall gedrängt fühlen! Was macht es aus, wenn wir noch ein, zwei Jahre warten? Hauptsache, wir sind zusammen. Wir kriegen das schon hin!“

Oh Gott, ist der Mann toll. Ich stehe auf und kuschele mich seitlich auf seinen Schoß, die Arme um seinen Hals geschlungen. Er wischt kleine Tränen der Aufregung von meinen Wangen. Alles halb so schlimm. „Mach dir keinen Kopf, so schnell wirst du mich nicht los. Und bitte rede immer offen und ehrlich mit mir. Ich kann nämlich diese wochenlange Stille nicht ausstehen.“ Ich küsse ihn erleichtert.

Worüber habe ich mir eigentlich solche Gedanken gemacht? Er ist schließlich der Mann, der immer hinter mir steht. Wenn er mich nicht versteht, tut es keiner. Es war dumm von mir, mich selbst so lange mit diesen Gedanken zu quälen und mir alle Horrorszenarien auszumalen. Ich hätte direkt mit ihm sprechen sollen. Denn die Wahrheit kommt am Ende immer ans Tageslicht.

Ein Jahr später packe ich die letzten Bücher in einen Umzugskarton. Ich stütze die Hände in die Hüften und drehe mich noch einmal in meiner kleinen Wohnung im Kreis. Das war es also. Aber es fühlt sich gut an! Jetzt bin ich bereit für diesen Schritt. Wir sind im letzten Jahr viel hin- und hergefahren, aber das war es wert. Ich brauchte diese Zeit, um mir sicher zu sein. Und wer weiß, ob wir jetzt noch zusammen wären, hätte ich mich damals schon überreden lassen.

Mein Freund kommt zur Tür rein und schnappt sich den letzten Karton. Kleine Schweißperlen sammeln sich auf seiner Stirn. Aber in seinem Blick steckt so viel Wärme und Vorfreude. Herrje, ich liebe diesen Mann! „Bist du soweit?“, fragt er außer Atem. Ich lege den Arm um seine Hüften, verabschiede mich gedanklich von meinem alten Leben und sage entschieden: „Ja, das bin ich!“


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