Aus der Sicht eines Narzissten – Ein Interview

In dieser Zeit informierte ich mich dann auch erstmals über Narzissmus. Was im Internet abgeht, muss ich, glaube ich, nicht erklären. Der Narzisst ist der Böse und die Partner seine armen Opfer. Ich erkannte Parallelen zu meinem Leben. Mal war ich Opfer, dann wurde ich Täter, um mich dann mit meiner Opferrolle zu entschuldigen. Ich entschied mich, ein Buch zu schreiben und eine eigene Facebook-Gruppe zu gründen. Vor allem wollte ich einen Ort schaffen, an dem „Opfer von Narzissten“ andere Menschen nicht als Projektionsfläche benutzen. Dies erlebte ich leider oft in anderen Gruppen. Ich wurde übelst beschimpft. Da ich als Kind gemobbt wurde und mir daher ein dickes Fell zulegen musste, reagierte ich nicht auf alles, aber wenn ich dann auf Beleidigungen reagierte, dann sehr heftig. Ich fiel in alte Muster zurück und ich lieferte vielen die Bestätigung, dass Narzissten böse sind. Das tut mir leid. Ich wollte das alles so nicht in der Form. Leider werde ich von manchen Damen und Herren von damals immer noch massiv beleidigt und beschimpft. Ich habe mich aber damit abgefunden. Ich kann das akzeptieren. Ich habe sogar Mitgefühl entwickelt. Zudem habe ich mich selber auch weiterentwickelt. Ich sehe mich also heute nicht mehr als Narzisst. Ich sehe mich als Mensch mit einem verletzten inneren Kind, einem immer kleiner werdenden Ego, der jetzt endlich so leben darf, wie er es als kleines Kind immer wollte. Ich bin mir selbst ein guter Freund geworden. Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals bei allen Wegbegleitern bedanken.

Manipulation, Eifersucht, Machtdominanz durch cholerische Anfälle, Kontrollsucht … Die Liste an negativen Verhaltensweisen eines Narzissten ist lang. Wovor kann ein Partner eines Narzissten sich selbst schützen? Oder ist das gar nicht möglich?

Meiner Meinung nach gibt es keine Manipulation im zwischenmenschlichen Bereich. Wir sind ja keine Maschinen. Es gibt aber emotionalen Missbrauch oder emotionale Erpressung. Diese kommt oft zum Tragen, wenn man keine funktionalen Mittel zur Verfügung hat, seinen Willen durchzusetzen. Dann wird gesagt: „Du musst dieses …, sonst passiert jenes …“ Aber dazu bedarf es einer Person, die sich nicht abgrenzen kann und zu allem Ja und Amen sagt. Das kenne ich auch aus meiner Kindheit. Meine Mutter sagte oft, wenn du nicht das tust, bin ich traurig. Sie gab mir also indirekt zu verstehen, wie ich mich zu verhalten habe, damit es ihr gut geht. Meine Mutter sagte dies aber nicht, um mir zu schaden, sondern um sich zu schützen. Das heißt also, sie missbrauchte mich für ihre Bedürfnisse. Sie manipulierte mich aber nicht. Ich habe mich ja zumeist nur im Kontakt zu meiner Mutter so verhalten, wie sie es sich erwünschte und auch dann nicht immer. Dennoch fühlte ich mich zu keiner Zeit bedingungslos angenommen und geliebt.

Der Münchener Professor Franz Ruppert meinte kürzlich in einem Gespräch, dass Menschen, die sich in der Rolle eines Traumaopfers sehen, unter ihren Ängsten leiden. Das Trauma muss abgewehrt werden. Das funktioniert am besten durch Projektion, indem ich also mein Gegenüber indirekt in die Verantwortung ziehe. Das heißt, ich übe Macht und Kontrolle aus. Ich kann aber nur jemanden dominieren, der sich dominieren lässt. Nichtsdestotrotz werde ich durch dieses Verhalten vom Traumaopfer zum Traumatäter. Ich übertrage mein erlittenes Trauma auf andere.

Wie kann man sich als „Opfer“ schützen?

Nur, wenn man sich selber über seine Anteile im Klaren ist, also selber reflektiert (dabei geht es nicht um Schuldzuweisung) und erkennt, was man selbst dazu beigetragen hat ist eine Lösung möglich. Andernfalls hilft es auch die Sichtweise seines Gegenübers zu akzeptieren oder sich gar in ihn hinein zu versetzen. Freilich hilft es auch sich selbst in Achtsamkeit zu üben und gegebenenfalls auf Abstand gehen (die Situation verlassen). Mir persönlich hilft Achtsamkeit und auf Abstand gehen am besten. Das Gefühl, mal nicht „zurück beleidigt“ zu haben oder ums „Recht bekommen“ zu kämpfen, also den bisherigen unbewussten Mustern nicht mehr zu folgen, ist einfach nur befreiend. Ich konnte durch diesen Kurswechsel wirklich viel Lebensqualität zurück gewinnen.


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