Ich konnte nicht anders: Ist Betrug am Partner einfach nur Willensschwäche?

Freiwillig in die Spirale hinein und immer weiter

Viele Betrügende reden sich mit dem alten Argument vom Dammbruch heraus. Wenn ein Damm erst einmal marode geworden ist, sei der Durchbruch quasi unvermeidlich. In anderen Worten: Man sei in eine Spirale geraten, in der es ab einem bestimmten, nicht eindeutig benennbaren Punkt plötzlich kein Zurück mehr gegeben habe. Die warme Sommernacht, das Bier, der Wein, dieses verführerische Lächeln, das Parfüm …

Wenn man dann einwendet, der Andere hätte sich ja gar nicht in eine solche (Reiz-)Situation begeben müssen, zieht dieser schnell den Mantel des Nichtwissens über: „Aber ich wusste doch gar nicht, wie sich der Abend weiterentwickeln würde.“ Stimmt. Aber er/sie hat ja kräftig mitgemischt! Stunden-, manchmal gar tage- oder wochenlang. Man war nicht krank und willenseingeschränkt. Man war nicht süchtig. Man hatte einfach nur keine Lust, dem Impuls zu widerstehen und die Spannung des Moments auszuhalten oder einer „Option“ zum richtigen Zeitpunkt konsequent den Riegel vorzuschieben. Man hat sich freiwillig der Situation hingegeben und hat sie nicht mehr verlassen. Das hätte man nicht tun müssen.

Nachträgliche Rechtfertigungen des Betrugs gibt es nicht

Es ist nicht nur gut, sondern auch verantwortungsvoll, die eigenen Neigungen zu kennen. Denn es gibt diverse Beziehungsmodelle, in denen „Fremdgehen“ zumindest auf rationaler Ebene kein Problem darstellt. Man kann „verhandeln“, sich darauf verständigen, was geht und was nicht, dem Anderen mitteilen, was man sich wünscht. Vielleicht sind beide ja sogar neugierig darauf, etwas Neues auszuprobieren. Aber: In einer eindeutig monogamen Beziehung gibt es diesbezüglich nun mal keinen Spielraum, allenfalls die „Neuverhandlung“ des Beziehungsmodells. Aber das dann bitteschön vor dem Sprung ins fremde Bett und nicht als nachträgliche Rechtfertigung!

Realismus und Respekt

Es kann passieren. Ja, wir sind alle nur Menschen; Betrug gab es immer und wird es immer geben, auch wenn das nicht schön ist. Die Folgen für eine (monogame) Beziehung sind in der Regel drastisch, eine Trennung aus Sicht des Betrogenen oft unumgänglich. Was wünschenswert wäre, ist, dass der Betrügende wenigstens dazu steht, was er oder sie getan hat und die volle Verantwortung dafür übernimmt, statt sich in Ausreden wie die der Willensschwäche zu flüchten. Das ist immer noch sehr wenig und macht die Verletzung nicht ungeschehen, zeugt aber von etwas Restreife.


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