Hört wahre Liebe bei Politik auf?

Martina fühlt sich von Hugo verraten

Wir hatten Nachbarn zu Gast, mit denen verstehen wir uns eigentlich sehr gut. Wir haben gegrillt, ein Paar ernährt sich vegetarisch, zwei andere essen Fleisch. Für die Vegetarier hatten wir natürlich jede Menge Gemüse, Kartoffeln, Grillkäse besorgt, ansonsten eben das Übliche, Fleisch und Würstchen, auch Fisch. Zu fortgeschrittener Stunde fing das Vegetarier-Paar an, zu sticheln, dass Martina nicht politisch korrekt sei, sie schaufelt sich mit Freude die Würstchen rein, als gäbe es keine Massentierhaltung, sagte unsere Nachbarin böse, dabei steht doch sonst die Umwelt bei Martina ganz oben auf der Agenda. Außerdem lästert sie über den Islam, so die Nachbarin, sie steht der Flüchtlingspolitik skeptisch gegenüber. Tja, Martina ist eine rechte Socke geworden, das sagte dann der Mann der Nachbarin.  Es war ein Scherz, aber es hörte sich bedrohlich und fies an.

Von der Flüchtlingspolitik kamen wir thematisch nicht mehr weg.  Ein Wort gab das andere. Martina zitierte den Grünen-Politiker Boris Palmer, der in einem Buch betont, dass wir an der Grenze der Belastbarkeit sind, was die Anzahl der Flüchtlinge betrifft. Die Grünen, eine politische korrekte Partei, eigentlich kein Anlass, diese Aussage anzufechten, es ist eben eine Meinung, die Palmer natürlich belegt. Aber unsere Nachbarn sind über Martina hergezogen, als habe sie sich für die AfD aufstellen lassen. Als die Gäste weg waren, hat Martina mir vorgeworfen, ich hätte nicht zu ihr gehalten, ich wäre wie die Nachbarn über sie hergefallen. Ich habe das nicht so empfunden, doch Martina ließ das nicht gelten. Ich habe einfach versucht, beide Seiten zu sehen, ich habe mich nicht bedingungslos auf Martinas Seite geschlagen. Eine Art von Zurückhaltung, die zu mir passt, das weiß Martina, doch das war für sie in diesem Moment zu viel. Es war wie ein Stachel, der sich an diesem Abend in ihrer Seele festgesetzt hat und seither an ihr nagt.

Nach diesem Abend ist nichts mehr wie zuvor

Die Tage nach diesem Abend ist es still zwischen dem Ehepaar, sie reden nur über das Nötigste. Wenn allerdings die Nachrichten laufen, und eine oder einer von den beiden etwas sagt, dann klafft sofort ein Abgrund zwischen den beiden. Hugo kommt es so vor, als wenn Martina eigentlich ein schlechtes Gewissen hat, dass sie sich also ertappt fühlt, weil sie eben mehr und mehr politische Einstellungen hat, von denen sie weiß, die gehen für Hugo gar nicht.

Hugo: „Ich kann da ein Bespiel nennen. Es ging um die AfD. Martina sagte, dass die Partei, man könne sich auf den Kopf stellen, demokratisch gewählt sei. Und dass man weder der Demokratie noch den vielen Wählern der AfD einen Gefallen tut, wenn man die ächtet. Man muss die auch nicht mögen. Aber es macht Sinn, zu erfragen, was die Wähler dieser Partei eigentlich denken, um dann darauf zu reagieren, um sie abzuholen und wieder in das normale Parteiensystem zu integrieren. Man muss aber auch auf deren Bedürfnisse und Probleme eingehen, die sich nur bei wenigen darin erschöpfen, dass sie Nazis sind.

Na, was sollen die denken, habe ich ziemlich schroff zu Martina gesagt, das sind für mich alle Nazis.“

„Wo hast Du denn das gelesen?“ schrie mich Martina an. „Und was ist denn ein Nazi für Dich? Bleib mal sachlich, anstatt mir hier Deine Ideologie an den Kopf zu werfen. Vielleicht reicht Deine Bildung nicht, um Dir ein klares Bild von der aktuellen politischen Lage zu machen.“

Hugo rutschte heraus: „Du kommst mir fast wie ein Nazi vor. Seit wann zweifelst Du meine intellektuellen Fähigkeiten an?“


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