Hört wahre Liebe bei Politik auf?

„Martina kann man eben nicht in eine Schublade stecken“ sagt Hugo, und man merkt ihm an, dass er stolz auf seine Partnerin ist. „Sie legt sich richtig ins Zeug, wenn eine Frau unterdrückt wird. Das gilt für alle Kulturen. Martina hat allerdings besonders schlechte Erfahrungen mit dem Islam gemacht. Sie hatte einige männliche Schüler, die sie als Lehrkraft nicht respektiert haben, weil sie weiblich ist. Da hat Martina regelrecht darum gekämpft, dass die Jungs ihr zum Beispiel die Hand geben, sie haben sich nämlich geweigert, weil Martina eine Frau ist. Die Jungs haben ihr richtig gedroht. Hinzu kam, dass Martina eine muslimische Schülerin hatte, die mochte sie sehr, die Zuneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Wir haben keine Kinder, und ich hatte das Gefühl, dass das Mädchen wie eine Tochter für Martina war. Es war ein sehr kluges und liebes Mädchen. Martina hat es gefördert, wo sie nur konnte. Und das Mädchen wurde von seiner Familie, vor allem vom männlichen Teil der Familie, genötigt, ein Kopftuch zu tragen, obwohl es das partout nicht wollte. Die Kleine wurde sogar geschlagen, aber richtig. Martina hat sich völlig verausgabt, um dem Mädchen zu helfen. Und am Ende war es wie vom Erdboden verschwunden, zwangsverheiratet, vermutet Martina.

Und das ist nicht der einzige Fall, klar, das ist ein Problem in unserem Land, dass es religiös bedingt die unterschiedlichsten Rollenverständnisse von Frau und Mann gibt, von Mittelalter bis Neuzeit. Martina akzeptiert das nicht, das sind für sie keine Unterschiede, das ist für sie schlimmste Unterdrückung. Sie konnte noch nie etwas damit anfangen, dass es ein Zeichen von Freiheit sein könnte, das weibliche Haupt zu bedecken, vor allem vor dem Hintergrund, dass das auf der ganzen Welt ein Grund ist, Frauen zu quälen, weil sie kein Kopftuch tragen wollen. Ein Kopftuch, das ist für mich ein politisches Symbol der Unterdrückung der Frau, sagt Martina. Männer haben sich das ausgedacht, dass Frauen ihre Haare verstecken sollen, weil sie das Weibliche als sündhaft betrachten. Frauen, die behaupten, dass sie freiwillig ein Tuch tragen, gehen nicht in die Tiefe, schauen nicht in den Abgrund, der sich hinter diesem vermeintlich banalen Kleidungstück verbirgt. Vielleicht wollen sie es auch nicht wissen.  Ich kann Martina durchaus folgen, was ihre Sicht angeht. Ich bin aber entschieden dafür, dass beide Meinungen gelten dürfen und müssen, Kopftuch ja oder nein. Kopftuch ja, das geht für Martina nicht.  Insofern steht sie dem Islam sehr kritisch gegenüber, sie misstraut dieser Religion. Aber generell ist sie sehr wachsam, was den Stand der Frau in einer Religion angeht. Die Katholiken bekleckern sich auch nicht mit Ruhm, sagt Martina, die selbst katholisch ist. Doch der Islam, den hat Martina besonders auf dem Kieker, eben wegen des Kopftuch-Zwangs, wegen der Zwangsverheiratung, zu viel Zwang eben, der die Rechte der Frauen in ihrer Substanz untergräbt.

Irgendwann gab es einen Abend, der erscheint mir im Nachhinein wie eine Zäsur für unseren häuslichen Frieden. Danach war unsere Beziehung anders.


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