Und dann stand mein Leben Kopf

Mit jedem neuen Treffen, mit jedem Gespräch wurde das Kribbeln in mir stärker. Ich mochte dich und das mehr als ich durfte. Mein Partner redete mir ein, du seist in mich verliebt, während ich dies immer nur abstritt und ihm versicherte, dass wir nur Freunde waren und dass das auch so bleiben würde. Doch innerlich wünschte ich mir, dass er Recht behalten würde und du dich wirklich irgendwann in mich verliebst. Aber selbst wenn das passieren sollte, hätte dies keine Zukunft. Ich würde mich ja doch nicht trauen, meine Beziehung zu beenden und meine komplette berufliche Zukunft neu zu ordnen. Ich wollte weggehen. Studieren, einen Beruf erlernen, der nie zu mir gepasst hat und zu dem ich mich von ihm hatte überreden lassen. Nur um irgendwie in seiner Nähe zu sein und endlich auch Liebe und Zuneigung zu bekommen.

Durch meinen Glauben und meine Erziehung war ich immer darauf bedacht, moralisch zu handeln. Treu zu sein. Bis zu einem gewissen Punkt konnte ich meine aufkeimenden Gefühle zu dir verstecken und im Zaum halten. Doch dann passierte es. Ich konnte mich nicht mehr zurücknehmen und ließ mich auf dich ein. Heute erinnern wir uns immer noch an diesen Tag, diese Nacht, in der alles anfing. In der du mein Leben verändert hast. In der du mich verändert hast. Du warst meine Affäre. Etwas, was ich nie wollte, was ich immer mit Spott und Verachtung beäugt habe. Doch manchmal braucht es sowas vielleicht, um zu erkennen, wie falsch das Leben doch gerade läuft.

Einer deiner Freund kam hinter unser Geheimnis. Ich fühlte mich schlecht, benutzt, billig und schuldig und konnte ihm nicht gegenübertreten, weil ich seine Verachtung mir gegenüber nicht spüren wollte. Doch anstatt mir eine Moralpredigt zu halten, zeigte er mir, wie glücklich ich mit dir war. Dass meine Beziehung auf nichts weiter als Lust, Befriedigung und Schmerz aufbaute und ich einsehen sollte, wie sinnlos sie war. Seine Worte begleiten mich bis heute und an diesem Abend habe ich eingesehen, dass er Recht hatte. Ich war nicht glücklich mit der Beziehung zu meinem Partner. Ich schloss die Augen und wusste, dass ich gerade anfing anzukommen. Freunde und Menschen fand, denen ich viel bedeutete, bei denen ich sein konnte wie ich war. Ich fing an, mir ein neues Leben aufzubauen und das ohne meinen Partner.

Lange habe ich gebraucht, um das einzusehen. Um mich zu entscheiden und zu bemerken, dass meine große Liebe nicht 400 Kilometer weg, sondern in meiner Heimat hier bei mir ist. Ich krempelte alles um. Cancelte mein Studium, kündigte meinen Arbeitsplatz und meinen Mietvertrag und verließ meinen Partner. Und das alles nur wegen dir. Weil du mir klar gemacht hast, dass ich hier hingehöre und nicht wegziehen muss, um mein Glück zu finden. Weil du mir zeigst, was es bedeutet, jemanden zu lieben, ein Leben gemeinsam anzufangen und es aufeinander aufzubauen. Miteinander zu wachsen und zu lernen. Weil du mir jeden Tag aufs Neue beweist, was du für mich fühlst – auch wenn du das vielleicht nicht merkst.


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