Ein modernes Märchen

Es passiert viel zu selten, dass man sich mit jemandem auf Anhieb so gut versteht. So viele Parallelen sieht. Ähnliche Ziele und Vorstellungen hat, so dass Diskussionen gar nicht mehr nötig sind. Man schaut sich an und ist sich sicher; das ist es. Zumindest war es so für mich.

Am 20. Juli schrieb er mir dann, dass es nicht mehr funktionieren würde. Und ich fiel aus allen Wolken. Mir war von Anfang an klar, dass er keine Beziehung wollte und selbst wenn, es wäre auch nicht gut gegangen; sein Auslandssemester auf Bali stand kurz bevor. Aber ich war mir sicher, dass wir bis dahin eine schöne Zeit zusammen haben könnten und hoffte insgeheim, ihn noch von mir überzeugen zu können. Naiv. Ich weiß. So ist Verliebtsein.

Und wenn sie nicht verreist sind, dann suchen sie schon das nächste Ziel. Nun sitze ich hier und schreibe meine Geschichte auf und muss erkennen, dass es kein Happy End zwischen mir und ihm geben wird. Jedenfalls keins im klassischen Sinne.

Ein Prinz Charming, der lieber reist und seine depressiven Phasen mit sich selbst ausmacht: Ist das der Prinz der heutigen Zeit? Und wenn dem so ist, ist das Märchen von heute vielleicht einfach eine Kurzgeschichte? Dann jedenfalls hatte ich mein persönliches Märchen. Und ein modernes Happy End. Ein Happy End, bei dem zwei Menschen – unter Tausenden – zueinander gefunden haben, die sich blind verstanden und sich gegenseitig ihr Leben bereichert haben. Bis die Zeit gekommen war, sich zu trennen und sich der Verantwortung zu entziehen, die daraus hätte entstehen können.

Jetzt sind wir beide wieder allein. Und ich muss gestehen: Ich hasse moderne Märchen. Denn ich wäre bereitwillig auf sein Pferd gesprungen und für immer und ewig mit ihm auf Bali in den Sonnenuntergang geritten.


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