Mein zweites Leben

Du kehrtest zurück zu deinem Freund

Ein qualvolles Jahr. Als kurz darauf das neue Semester begann, schleppte ich mich in die Uni. Es ging mir unglaublich schlecht. Du standst in der Cafeteria zusammen mit ihm. Er hatte gerade sein Studium an unserer Hochschule begonnen. Darauf war ich nicht vorbereitet. Du hattest mir nichts davon erzählt. Als du mich sahst, nicktest du kurz. Im Übrigen ignoriertest du mich. Unsere Freunde sahen mich mitleidig an. Zu Hause musste ich mich übergeben. Fortan lief ich euch fast täglich über den Weg. In der Uni und auf Partys. Manchmal sah ich, wie du ihn küsstest oder wie du Hand in Hand mit ihm zu Parkplatz gingst. Ich wusste nichts mehr mit mir anzufangen und reduzierte meine Anwesenheit in der Uni auf ein Minimum. Am liebsten hätte ich mein Studium abgebrochen, um in eine andere Stadt zu ziehen. Ich suchte mir andere Freunde und vermied es, so gut es ging, dir über den Weg zu laufen, lenkte mich ab, indem ich auf andere Partys ging, mit anderen Frauen schlief, Gras rauchte und zu viel Alkohol trank. Morgens vor der Uni übergab ich mich regelmäßig. So ging das ungefähr ein Jahr.

Auf irgendeiner Party trafen wir uns wieder, du warst alleine dort. Ich versuchte dir aus dem Weg zu gehen, aber du suchtest wieder meine Nähe und sagtest mir, dass du immer noch an mich denken würdest. Ich verschwand irgendwann aufgewühlt und wortlos von der Party. Von nun an riefst du mich wieder regelmäßig nachts an, häufig warst du betrunken. Meistens sagtest du nicht viel, sondern atmetest nur schwer. Eines nachts standst du dann wieder vor meiner Tür und wolltest rein. Wir schliefen miteinander, und ich dachte für einen kurzen Moment, dass du jetzt entschlossen sein würdest ihn endgültig zu verlassen. Warst du aber nicht. Du gingst wieder nach Hause zu ihm. Es war, als würde mein Herz langsam versteinern.

Wir verbrachten die Nacht zusammen und du gingst danach wieder zu ihm

In den nächsten Jahren gewöhnte ich mich daran, dass ich euch regelmäßig in der Uni über den Weg lief. Auch daran, dass du mich nachts betrunken anriefst oder mir Nachrichten schriebst. Ich gewöhnte mich daran, dass wir hin und wieder eine Nacht miteinander verbrachten und du dann wieder zu ihm nach Hause gingst. Daran, dass du mich eigentlich nicht wolltest, aber hin und wieder dafür benutztest, dich ein bisschen besser zu fühlen und Bestätigung zu bekommen, ohne dich darum zu scheren, wie es mir geht. Daran, dass ich mich wie ein Geist fühlte, der in manchen Nächten für dich da war, aber den kein anderer sehen kann und darf. Ich hätte das alles nicht zulassen dürfen, hätte jeglichen Kontakt zu dir konsequent abbrechen müssen. Stattdessen genoss ich die wenigen Momente und Minuten, die ich ab und zu mit dir hatte und dachte nie an den nächsten Tag. In dieser Zeit quälte und demütigte ich mich selbst und ließ es zu, dass ich meine Emotionen immer mehr abspaltete. Es war als würde mein Herz langsam versteinern.


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