Manchmal ist es so einfach, den Richtigen zu finden

Die Menschen, die wir in Dating-Apps kontaktieren können, finden wir auch außerhalb. Sie laufen da draußen herum. Unsere Leserin Alice hätte ihren Partner beinahe übersehen und plädiert deshalb für mehr Aufmerksamkeit

Ich saß morgens in der Straßenbahn auf dem Weg zur Arbeit. Wie so oft nutzte ich die Zeit, um in einem neuen Buch zu lesen. Auf der Arbeit angekommen, verstaute ich meine Sachen in meinem Spind, als ich plötzlich von einem Kollegen angesprochen wurde. Ich weiß nicht mehr, ob ich es immer eilig gehabt hatte oder ob ich mit meinen Gedanken einfach woanders gewesen war, aber so sehr ich es auch versuchte, ich konnte mich nicht daran erinnern, diesen Kollegen je richtig angesehen zu haben, als er zu mir sagte: „Hast du nicht gerade in der Bahn gesessen? In der 15?“ Ich antwortete wohl mit einem „Ja, genau,“ oder so etwas in der Art, verschloss meinen Spind und ging – ohne weiter über das eben Geschehene nachzudenken – an meinen Arbeitsplatz, um mit einem üblichen Arbeitstag zu beginnen.

Wenige Tage später, wieder morgens, kurz vor Dienstbeginn, machte ich mir noch schnell einen Kaffee in der Gemeinschaftsküche. Ein Kollege betrat die Küche, ich glaube, er hatte auch vor, sich einen Kaffee zu machen, als er mich plötzlich ansprach: „Wie heißt du eigentlich?“ Noch ehe ich antworten konnte, sah er auf meine Personalkarte, um meinen Namen abzulesen. „Ah, okay. Hab´s selbst rausbekommen.“

Da sah ich ihn das erste Mal wirklich an. Und er gefiel mir. Mit seinem wirren Bart und seinen noch verwirrteren Haaren. Er lächelte und fragte mich, wie lang ich schon für die Firma arbeitete und wie es mir hier gefiel. Schüchtern brachte ich kaum ein Wort heraus und sein Versuch zu smalltalken, ging Dank meiner viel zu knappen Antworten nach hinten los.

Doch er gab nicht auf, denn als ich mit meinem Kaffee an meinem Arbeitsplatz ankam und mein E-Mail-Postfach öffnete, hatte er mir bereits eine Mail geschrieben. „Hey, ich hab dich neulich in der Bahn gesehen, als du dasaßt und in deinem Buch gelesen hast. Das hat mich echt beeindruckt. Man sieht selten um diese Uhrzeit jemanden, der schon am Lesen ist. Ich bin neugierig: Was für ein Buch liest du denn gerade? Ach so, ich bin übrigens Pete, der Typ aus der Küche. Sorry, ich hatte vorhin vergessen, mich vorzustellen.“

Von da an war ich vollkommen hin und weg von ihm. Wir schrieben uns seitdem täglich und fast ununterbrochen Mails hin und her. Irgendwann trafen wir uns auch mal außerhalb der Arbeit auf einen Kaffee und dann auch irgendwann bei mir. Ein paar Wochen später entschlossen wir uns, gemeinsam eine Beziehung einzugehen und erst vor wenigen Tagen sagte er mir das erste Mal, gerade als wir das Gericht aßen, das ich gekocht und komplett versalzen hatte, dass er mich liebt.

Noch heute wünschte ich, die Zeit zurückdrehen zu können, zurück zu dem Moment in der Bahn.


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