Liebe auf hoher See

Die darauffolgenden Tage waren unerträglich. Ich wollte in seiner Nähe sein, wollte so viel wie möglich mit ihm reden, aber jedes Mal wenn ich ihn sah, hatte ich diesen Kloß im Hals und mein Magen zog sich zusammen. Erstaunlicherweise blieb er dann doch an Bord. Wir sahen uns immer noch täglich, auch wenn es für uns beide schwer war.

Nach einem besonders harten Arbeitstag, ich hatte 16 Stunden hinter mir und war nun bereits drei Monate an Bord, lud der Elektriker uns auf ein Bier in seine Kammer ein. Er würde bald nach Hause gehen und wollte eine kleine Party feiern, um uns auf Wiedersehen zu sagen. Fast die ganze Besatzung kam und ich saß neben dem 1. Offizier auf dem Sofa. Wir tranken Bier, wir lachten, wir hatten Spaß und innerlich genoss ich, so nah bei ihm sein zu können. Nach einer Weile legte er seine Hand auf meine. Vielleicht mit Absicht, vielleicht auch nicht … Aber ich wusste, jetzt oder nie.

Kurze Zeit später verabschiedete er sich, wünschte allen eine gute Nacht und ich ging etwa eine halbe Stunde nach ihm. Lange überlegte ich, ob ich an seine Kammertür klopfen sollte, ich irrte wild im Schiff umher und entschied mich doch, ins Bett zu gehen. Als ich um die Ecke bog, um zu meiner Kammer zu gelangen, stand er dort. Er hatte auf mich gewartet, mit einem Lächeln auf den Lippen, das mir heute noch einen Schauder über den Rücken laufen lässt.

Das war unsere erste Nacht zusammen. Und weitere Nächte folgten. Ich schlich mich abends, nach der Wache, zu ihm. Wir waren vorsichtig, suchten Ausreden und passten auf, dass niemand etwas mitbekam. Im Nachhinein wussten es alle. Schon vor uns. Der Kapitän belächelte die Situation, aber leitete nichts an die Reederei weiter.


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