Ist das die Liebe, die ich verdient habe?

Sie sagte mir, wir müssten reden. Sie mache sich Sorgen um mich. Für mich war die Welt in Ordnung, deshalb verstand ich ihre Sorge nicht. Und dann ging es los. Sie zählte mir auf, wie oft ich sie in den vergangenen Monaten heimlich aus dem Klo angerufen habe, schluchzend und verzweifelt, weil er mir wieder irgendwas verboten hatte. Wie oft ich ihr abgesagt hatte, weil er etwas dagegen hatte. Wie oft ich mit ihm aneinander geraten war, aber immer klein beigegeben habe. Das alles hob mich wenig an, weil ich der festen Überzeugung war, dass das normale Beziehungsstreitigkeiten waren. Sie hatte mir schon oft solche Andeutungen gemacht. Ich hatte sie alle vom Tisch gefegt. Man muss in einer Beziehung doch auch mal von seinem eigenen Willen abkommen, sonst funktioniert es nicht. Und dann sagte sie fünf Worte, die mir jetzt noch im Schädel nachhallen: „Du hast keinen Willen mehr.“

Ich definiere mich über seine Liebe zu mir

Ich habe keinen Willen mehr. Darauf fand ich keine Widerworte. Ich bildete mir ein, noch immer ich zu sein. Aber bin ich das wirklich? Ich habe für ihn alles aufgegeben, was mir Spaß machte und mich erfüllte. Meine alten Träume sind in einer Kiste verstaut. Dort liegen vermutlich auch meine Lebensfreude und mein Humor. Verblichene Bilder aus alten Zeiten. Ich weiß nicht mehr, was ich will. Das Einzige, was für mich zählt, ist er. Ich definiere mich über seine Liebe zu mir.

“Aber das ist keine Liebe”, sagte mir meine Freundin. Er liebt mich nicht für den Menschen, der ich war. Er liebt mich, weil ich ein Knetpüppchen bin, das er nach seinem Gutdünken zurechtformen kann. Und wenn ich ganz ehrlich bin, liebe ich mich selbst auch nicht mehr für den Menschen, der ich bin. Ich weiß nicht mehr, wer dieser Mensch in mir überhaupt sein soll.

Ein langer Weg zur Einsicht

Zuerst wehrte ich mich natürlich gegen diese Einsicht. Ich schrie meine Freundin an, sie würde mir mein Glück nicht gönnen. Dass sie nur neidisch sei. Ich schickte sie zum Himmel. Aber sie blieb. Sie ließ mich schreien, bis ich erschöpft in mich zusammenfiel. Und dann strich sie mir meine wüsten Haare aus dem Gesicht und sagte mir, dass sie ohne mich nicht gehen würde.

Ich weinte lange. Fuhr vehement hoch, überzeugt, dass diese Liebe richtig ist. Und sackte wieder wimmernd zusammen. In diesem Moment gingen alle erdenklichen Gefühle durch mich durch. Ich wollte das alles nicht. Ich wollte bei ihm bleiben, auch wenn es mich innerlich zerriss. Ich war bereit, alles aufzugeben für ihn, inklusive mir selbst.


Weitere interessante Beiträge