Immer fort – und niemals so richtig da

Unsere anonyme Autorin zieht eine Bilanz ihres Liebeslebens. Diese fällt nicht sehr positiv aus – doch sie ahnt, wie sich daran etwas ändern ließe

Ich habe mich in einem Café verkrochen, nachdem ich stundenlang durch die Stadt gelaufen bin. Vor mir dampft neben meinem Laptop ein Becher Kaffee, der noch viel zu heiß zum Trinken ist. Trotzdem führe ich ihn an meine Lippen, trotzdem trinke ich die Brühe. Ich kann nicht warten, ich bin zu ungeduldig. Es geht mir alles nicht schnell genug, ich kann nicht langsam. Aber ich habe mich in dieses Café gesetzt, weil ich anhalten möchte. Weil ich diese ganze Hektik nicht mehr haben möchte, die mein Leben ausmacht. Ich habe mich in dieses Café an einen Tisch am Fenster gesetzt, um zur Ruhe zu kommen. Um endlich einmal einen Überblick darüber zu gewinnen, was ich die letzten Jahre mit meinem eigenen und fremden Herzen angestellt habe. Apropos mein Herz, ich spüre genau hin: Es rast gerade. Ich trinke noch einen Schluck, verbrenne mir die Lippen. Ich fluche. Am liebsten würde ich losheulen.

Irgendwo da draußen in der hässlichen grauen Stadt gibt es einen Mann, dem ich am Vormittag das Herz gebrochen habe. Er war nicht der einzige in letzter Zeit. Deshalb gebe ich ihm auch keinen Namen. Ich habe das schon mit vielen Männer gemacht. Dabei hat auch mein eigenes Herz einen Knacks bekommen. Mit jedem Bruch wurde es kleiner. Ich bin froh, nicht sehen zu müssen, wie klein es inzwischen geworden ist.

Seit ich so alt bin, dass andere mich zwar immer noch als jung, aber irgendwie bereits als erwachsen bezeichnen, spüre ich oft in mir ein leichtes Beben. Es ist wie ein Monster, das manchmal schläft und manchmal wach ist. Wenn es die Augen aufschlägt, geht es mir schlecht. Ich zittere dann innerlich, spüre, dass alles aus der Balance gerät. Ich mag mein Leben dann nicht mehr so, wie ich es mochte, als das Monster noch schlief. Ich bin dann voller Unruhe, getrieben, ruhelos. Ich will, dass etwas geschieht, irgendetwas, damit diese Unruhe weggeht. Ich muss etwas tun, irgendetwas, damit ich das Gefühl habe, meiner inneren Unruhe etwas entgegensetzen zu können.


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