Ich hatte fast vergessen, was wirklich wichtig ist

Also: Er schlug eine Trennung auf Zeit vor, er habe da einen Kumpel, bei dem das funktioniert habe. Aber ich sagte ihm gleich: Du, wenn in der Zeit etwas passiert, du weißt schon was, dann ist das halt so, ja? Ich kann echt nicht ewig abwarten und schauen, wie das mit uns weitergeht. Mein Freund/Ex nickte einfach nur cool und sagte: Klar, Baby, kein Problem. Das ist jetzt wie gesagt drei Wochen her. Letzte Woche installierte sich sein „Quasi-Ex-Baby“ dann diese Dating-App, die ihm früher schon mal dabei geholfen hatte, mit der inneren Langweile klarzukommen.

Ich stand da also in dieser megalangen Schlange in diesem Konsumtempel, fing allmählich an zu schwitzen und las, dass ein gewisser Lukas mich heiß fand und es ja Freitag sei. Der Satz endete mit einem „…“ und einem Smiley, das mich augenblicklich auch noch den letzten Rest Respekt für Lukas verlieren ließ.

Ich googelte „Black Friday“. Warum heißt der eigentlich so? Ich fand eine mögliche Erklärung: „Eine weitere Theorie ist die, dass an diesem umsatzstarken Tag die Händler die Chance haben, aus dem Minus herauszukommen – also statt roter Zahlen schwarze zu schreiben.“ Nicht unplausibel. Ich sah mich um: überall Menschen, die Smartphones für tausend Euro, Kaffeevollautomaten, Klimaanlagen (im November …) oder PC-Games kauften. Ich mitten drin. Ich bin nicht anders. Ich bin nicht besser, nicht schlechter, das hoffe ich zumindest. Ich machte mit. Und ich schwitzte jetzt so richtig heftig.

Wieder eine Push, wieder Tinder. Ich hätte es fast bevorzugt, wenn sich stattdessen mal meine Katastrophenvorwarnungsapp gemeldet hätte. Diesmal ist es der Sebi, wenn der denn wirklich so heißt. Süßer Kerl, kann wohl surfen und war mal in Thailand. Okay, superindividuell. Ich fühlte die Langeweile in mir hochkriechen, langsam wie ein Käfer auf Opium. Ich befürchtete, dass ich, wenn sie meine Augen erreicht hätte, wie ein Schlosshündchen anfangen würde zu heulen. Und das wollte ich jetzt eigentlich nicht unbedingt.

Ich schaute mich um. Eine beeindruckende Menschenschlange, wirklich. Alle genervt, alle stoisch geduldig, alle fleißig am Texten oder Telefonieren, Livevideos vom Einkaufen posten. Ein Vater schickte seinen Sohn noch mal in den vierten Stock ein paar Blu-rays holen. Bssss-bssss-bssss, Push. Sebi nervt. Er schreibt, der Abend sei noch lang, ob ich Bier möge. Er sei noch unterwegs, er sei spontan. Ich antworte ihm, dass ich Bier möge. Ich weiß gar nicht genau, warum ich ihm antworte. Bssss-bssss-bssss. Klasse! Er schreibt, dass er gerne ein Bier mit mir trinken würde. Wie wär’s gleich heute Abend? Na wie is’?


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