Gib mir meinen Frieden zurück

Ich erkannte deine Motive, deine Ziele, deinen Zustand. Und das nur in einer einzigen kurzen Begegnung, welche sich unendlich quälend lang anfühlte. Ich kannte das schon, dass es mir mit einem Menschen so ergeht. Der Seelenblick, alles blitzschnell erkannt. Aber leider unterschätzte ich, wie präzise und sicher mein Instinkt funktioniert und ich unterschätzte das Ausmaß deines schier unmenschlichen Zustandes. Der Stress, die Spannung, die Leere, den Rattenschwanz an anderen furchtbaren Dingen gar nicht erst erwähnend.

Eigentlich wäre es, dir zu begegnen, einfach ein Nichts gewesen, denn das ganze Gerede war nur Ablenkung. Nichts Gehaltvolles oder Interessantes kam aus dir raus, nicht einmal mein Schweigen hielt dich davon ab, dich um Kopf und Kragen zu reden: Es wäre wieder nur ein ekelhafter Schwachmat gewesen. Einfach ein dummköpfiger Schwätzer par excellence. Wohnt auch noch im Ghetto der Stadt, aus dem ich selbst erst zwei Jahre zuvor weggezogen war. Absolut gruselig. So der Stand, doch fiel eine Bemerkung, die mich in den darauffolgenden Tagen und Wochen nicht ruhen lassen sollte: „Bauvorhaben der Stadt“.

So wollte leider die neugierige Katze in mir aus dem menschlichen Totalausfall Informationen und Fähigkeiten heraus holen, um diese für ein höheres, gemeinnütziges Ziel einzusetzen. Wollte unbedingt wissen, ob an diesem unleidlichen Gewäsch doch irgendetwas Brauchbares dran war. Und scheinbar hattest du sehr viele Fähigkeiten, wenn man den Projekten Glauben schenken konnte, die in der Presse Anklang fanden, was mich wiederum sehr begeisterte und fast vergessen ließ, dass ich dich als Mensch widerlich fand. Aber ich sollte noch bitter bezahlen und erkennen, wie sehr ich mich verrechnet hatte.

Ich ließ dich in dem Glauben, dass man mit mir flirten konnte, um mir Informationen anzueignen. Absolut schäbig von mir, aber ein frauenverachtender Hohlkörper verdiente keine Ehrlichkeit meinerseits, dachte ich für mich. Nach der ersten Begegnung lief ich dir sechs Tage später wieder über den Weg. So gerne höre ich Musik, vor allem wenn ich auf meinem Fahrrad sitze. Und auch an diesem Abend war ich unterwegs mit Knopf im Ohr, in der Straßenbahn dieses Mal.


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