Der lange Weg zu dir

Eines Abends meinte er zu mir: „Ich werde bald 36 Jahre alt, ich habe in diesem Leben nur noch einen Wunsch, und zwar, dass ich dich einmal küssen darf!“ Ich war sprachlos. In den darauffolgenden Wochen ließ mir dieser Satz keine Ruhe mehr und ich grübelte darüber nach, ob ich ihm diesen Wunsch erfüllen könnte. Ich hatte einfach Angst, dass es alles kompliziert und unsere Freundschaft kaputt machen würde.

Monate später, wir waren zusammen in einer Diskothek tanzen, die Stimmung war – obwohl wir nichts getrunken hatten – total ausgelassen und da war plötzlich dieser Moment. Dieser Moment, an dem ich meinen besten Freund ansah und mir nichts sehnlicher wünschte, als ihn endlich zu küssen. Ich tat es aber nicht. Ich wollte, dass dieser Kuss nur uns gehörte. Da wir uns seit 20 Jahren kannten, hatte er mir angesehen, dass ich ihn an diesem Abend küssen wollte. Ab diesem Abend hatten wir täglichen Kontakt. Er schrieb mir morgens Guten-Morgen-Nachrichten, ließ mich per WhatsApp an seinem Tag teilhaben und schrieb die letzte Nachricht, kurz bevor er zu Bett ging. Das machte unser Verhältnis zueinander noch inniger, als es vorher schon war.

Einige Monate später nach dem Diskobesuch und einer durchgequatschten Nacht kam es zum ersten Kuss. 20 lange Jahre hatte er darauf gewartet und wahrscheinlich war er der glücklichste Mensch auf Erden, dass sein Wunsch endlich in Erfüllung gegangen war. Für mich war es ein merkwürdiges Gefühl. Bisher hatte ich zu ihm eher ein Schwester-Bruder-Verhältnis und plötzlich stand meine Welt Kopf. Ich war total verwirrt und konnte monatelang danach nicht einordnen, wie ich das, was ich fühlte, zuordnen sollte. Plötzlich waren da Schmetterlinge in meinem Bauch, ich freute mich noch mehr als sonst auf ein Wiedersehen, aber ich hatte meine Familie mit Haus und Kind und wollte nicht, dass er noch weitere 20 Jahre vergeudet und auf mich wartet.

Ich bat ihn, sich ins Leben zu stürzen und sich zu verlieben, statt auf mich zu warten. Tja, und so fing er an, eine Frau regelmäßig zu daten. Obwohl ich ihn selbst darum gebeten hatte und auch keinerlei Besitzansprüche geltend machen konnte, war ich total eifersüchtig auf diese Frau. Im Nachhinein betrachtet war es richtig, dass er sich ins Leben stürzte, denn erst dadurch wurde mir bewusst, dass er für mich mehr als nur mein bester Freund war. Er hatte sich über die Jahre so langsam in mein Herz geschlichen, dass ich gar nicht realisiert hatte, wie viel er mir wirklich bedeutet. Ich musste so viele Umwege gehen, obwohl mir das Glück die ganze Zeit vor den Füßen lag.

Inzwischen ist er in die Heimat zurückgezogen. Wer weiß, vielleicht sitzen wir bald – bevor wir 50 werden – gemeinsam auf der Gartenbank und genießen das Leben.

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