Der lange Weg zu dir

Manchmal muss man im Leben viele verkehrte Wege gehen, um zu erkennen, in welche Richtung man eigentlich möchte. Unsere anonyme beziehungsweise-Leserin machte einen langen Umweg, bis sie endlich das Ziel erreichte

Ich war 14 Jahre alt, als ich meinen besten Freund, der damals 16 Jahre alt war, kennenlernte. Wir verstanden uns auf Anhieb prächtig, wir teilten den gleichen Humor und konnten total viel zusammen lachen. Er verliebte sich recht schnell in mich und schrieb mir die wohl schönsten Liebesbriefe, die ich je bekommen habe – aber ich konnte diese Gefühle nicht erwidern.

Erstaunlicherweise konnten wir trotzdem weiterhin unverkrampft miteinander umgehen. Wir haben in den darauffolgenden Monaten und Jahren viele Partys zusammen gefeiert und er musste mit ansehen, wie ich mich in meiner Sturm- und Drangzeit immer wieder Hals über Kopf in neue Beziehungen oder Abenteuer mit Männern stürzte. Obwohl ich ahnte, dass er jedes Mal litt, wenn ich freudestrahlend von meinem neuen Glück berichtete, ließ er es sich nie anmerken und blieb als mein bester Freund an meiner Seite. Er tröstete mich, wenn ich erneut Beziehungsdramen durchlebte und war zu jeder Tages- und Nachtzeit für mich da.

Er verliebte sich mit 18 dann in eine Freundin von mir. Zeitgleich steckte ich in einer Beziehung mit dem Nachbarsjungen von ihm, seinem besten Freund. So kam es, dass wir eine ganze Weile zu viert viel gemeinsam unternahmen, dennoch wurde das Verhältnis zu meinem besten Freund ein anderes. Wir erzählten uns nicht mehr alles und so bekam er erst mit, wie ernst die Beziehung zu meinem Freund war, als wir die Verlobung bekannt gaben. Obwohl auch er in einer Beziehung steckte, war das vermutlich ein Schock für ihn.

Ein paar Monate später brach er sein Leben in der Heimat ab und zog viele Hundert Kilometer weit weg. Ich weiß bis heute nicht, ob meine Verlobung der Grund dafür war, dass er geflüchtet ist. Offiziell meinte er, er müsse fernab der Heimat Erfahrungen sammeln. Seine eigene Beziehung ging wegen der Distanz in die Brüche.

In den darauffolgenden fünf Jahren hatten wir nur sporadisch Kontakt. Wir sahen uns maximal zweimal im Jahr. Ich litt sehr darunter, dass er sich distanziert hatte, konnte es aber verstehen. Ich wünschte ihm von Herzen, dass er eine tolle Frau finden würde. Allerdings, wenn er dann eine hatte, fiel mir auf, dass ich eifersüchtig wurde, wenn er mir von seinem Liebesglück berichtete.


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