Beinahe war es Liebe

Er wollte mehr Freiraum, sie wollte mehr Wir. Unsere anonyme beziehungsweise-Leserin erzählt von einer Beinahe-Beziehung, die letztlich leider nur ihren Hoffnungen existierte

Verloren haben wir beide. Unsere tiefe Verbindung, uns als Gefährten im Leben, die Nähe, die wir vom ersten Moment an miteinander teilten, die gefundene Bestätigung im Teilen und Bewegen all unserer Gemeinsamkeiten und die gefühlte Legimitation unseres Mensch-Seins durch das tiefe verstanden werden des jeweils anderen. Und die Chance, auf ein gemeinsames Leben. Vielleicht wäre es ein schönes geworden.

Für mich ist es der Verlust des Wunsches aus dir und mir ein Wir erwachsen zu lassen. Der Verlust einer ungelebten Liebe. Aber auch, der Verlust der Idealisierung eines Mannes, mit der ich dich besetzt habe. Für dich ist es der Verlust eines Menschen, der dich wirklich bereit war zu sehen und dir stets voller Ehrlichkeit und Mitgefühl begegnet ist. Der die Nähe zu dir, ohne das Zurückhalten eigener Anteile und das Beibehalten einer gewissen Distanz, um sich selbst in mehr Sicherheit zu wiegen, zugelassen hat. 

Verschiedene Welten

Und nun? Du fehlst mir. Gestern und heute. Und du wirst es auch noch viele weitere Tage tun. Zwischenzeitlich verfluche ich dich. Dann fehlst du mir wieder so sehr, dass ich innere Schmerzen davon habe. Ich spüre dich immer noch. Ich erinnere mich noch genau, an deinen Blick, deinen Gang, deine Haut, deine Lippen und deinen Körper und wie er sich anfühlt. Wenn ich melancholisch bin, kehren meine Gedanken zu unserer Nähe zurück. 

Du bist irgendwie immer bei mir, in meinem Innenleben, in meinem Kopf, in einer entlegenen Ecke in mir, die ich für dich eingebaut habe. Wenn ich durch die Straßen laufe, sehe ich dich in all den anderen Männern. Manchmal gehe ich einen Umweg, nur um an deiner Wohnung vorbeizulaufen. Ich schaue dann, ob dein Licht brennt. Auf diese absurde Weise fühle ich mich dir ein Stück näher. Du hast mein Herz zerquetscht und zerbrochen. Du hast meinen Kopf zerpflückt. Mein Gehirn mit meinem Herzen konfrontiert. 

Ich bin dennoch dankbar für dich: für die Momente, in denen du zugelassen hast, mir ganz zu begegnen, mich wirklich zu sehen und mich nicht in der Masse verschwimmen zu lassen. Für die Momente, in denen wir dasselbe wollten und ich Nähe und ein Miteinandersein erleben durfte, dass sich unglaublich gut angefühlt hat. Ich bin dankbar dafür, in den Ausschnitten unserer beinahe Liebe, ein weiteres Stückchen meines Ichs gefunden zu haben. 

Vielleicht werden wir uns eines Tages wieder sehen. Vielleicht auch nicht. Und vielleicht wird dann erneut ein einziges Lächeln von dir mein Herz berühren und mich an die Tiefe erinnern, die wir einst teilten. Vielleicht auch nicht. Vielleicht werde ich entzaubert sein von dir und trotz dem bleibenden Gefühl, dass uns einst so viel verbunden hat, wissen, dass du nicht der passende Mann für meine Welt warst. Und ich nicht die passende Frau für deine Welt.


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