Was für gleichgeschlechtliche Ehen unerlässlich ist

Sollten denn nicht alle Menschen stolz sein auf ihre Liebe?

Aber ja. Unbedingt. Homosexuelle wachsen jedoch in der Ungewissheit auf, anders zu sein als ihre Umwelt. Sie können häufig erst spät zu ihren Gefühlen stehen. Zuvor beobachten sie jahrelang ihre Familie, ihre Freunde, ihre Kollegen um überhaupt erst einmal herauszufinden, was sie von denen unterscheidet. Sie stehen auf, sie schlafen, sie essen, sie trinken, sie sprechen, sie gehen einkaufen, sie sind gut gelaunt – oder auch nicht – und unterscheiden sich doch. Niemand, der seine Sexualität gerade erst erkennt, kann zunächst verstehen, weshalb für ihn verboten sein soll, was für andere erlaubt ist. Weshalb für ihn verdammenswert sein soll, was andere feiern. Weshalb fremde Menschen ihn verletzen oder sogar töten wollen.

Aus diesem permanenten Vergleich entwickeln sich häufig mehrere Persönlichkeiten, die in einem Körper leben. Eine angepasste Persönlichkeit, die in der Welt, die bedrohlich und lebensgefährlich sein kann, zu verbergen sucht, was sie anders macht und eine – im besten Falle – gelöste, befreite Persönlichkeit, die zuhause im Kreis der Lieben sein darf, wie sie sich fühlt. Dr. Julie Gottman hat in einer groß angelegten Studie, die über zwölf Jahre ging, beobachtet, was gleichgeschlechtliche Beziehungen ausmacht. Mit ihrem Mann, Professor John Gottman, erforscht sie seit 40 Jahren die Erfolgsfaktoren von heterosexuellen Partnerschaften.

Um eine Beziehung auf Augenhöhe zu führen, die in der Lage ist, auf alle Veränderungen zu reagieren, die von innen und außen auf die Partner einwirken, ist jedoch ein hohes Selbstwertgefühl unverzichtbar. Das gilt für jede Beziehung, ob hetero- oder homosexuell. Verletzter Selbstwert führt zu Eifersucht, Misstrauen, Verlust- und Bindungsangst sowie zu dysfunktionalen Verhaltensweisen wie Gaslighting, Benching oder Ghosting, die wir alle nur zu gut kennen. In einer gleichgeschlechtlichen Beziehung ohne Stolz sind sie jedoch unvermeidbar. Stolz erlaubt Mut und Vertrauen und nur diese beiden Wege führen tatsächlich zur Liebe. “Pride”-Veranstaltung sind lange nicht überflüssig geworden, sie sind immer noch ein unerlässlicher Weg zur Heilung.


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Und was opferst du für deine Beziehung?

Es heißt „eine Beziehung ist harte Arbeit“. „Du musst etwas in deine Beziehung investieren, damit sie lange hält und bereit sein, Opfer zu erbringen“. Beziehungen sind immer „ein Geben und Nehmen“. Das klingt alles andere als erquicklich und kaum romantisch. Ob es wirklich gut ist, „Opfer“ für unsere Liebsten zu erbringen, das hat jetzt eine Studie herausgefunden.