Meine erste Liebe war eine Frau

Und so ergab sich meine erste Beziehung, als meine beste Freundin und ich 15 waren, als natürliche Erweiterung der Freundschaft. Wir verheimlichten, was wir taten. Damals hatten wir große Sorge, wie die Familie und unser Schulumfeld reagieren könnten. „Verdacht“ schöpfte keiner, denn von außen gesehen hatte sich nichts verändert. Und auch für uns war es ein fließender Übergang. Während wir unsere ersten sexuellen Erfahrungen miteinander machten, bewunderten wir weiterhin die Jungs aus den höheren Klassenstufen.

Nach der Schule wuchs das Selbstbewusstsein und wir „outeten“ uns vor Freunden und Eltern. Trotz vieler Probleme klammerten wir uns aneinander und es begann eine lange Reise der Identitätsfindung: Lesbisch? Bi? Mich ließ die alte Verliebtheit in die großen „Jungs“ nicht nur nie los, sondern, obwohl ich mich emotional von meiner Freundin nicht lösen konnte, fiel mir der gleichgeschlechtliche Sex zunehmend schwerer, Männer zogen mich viel mehr an, als ich es mir oder besser uns eingestehen konnte.

Wir waren nun schon weit über zehn Jahre zusammen und ich hatte mir in all der Zeit eine sexuelle Identität erkämpft, die ich auch nicht einfach so wieder aufgeben wollte – ich mochte die LGBT-Community, die Offenheit und Toleranz. Sollte ich das gegen klassische „Spießer-Normen“ eintauschen? Die Wahrheit ist, dass – in welcher Richtung auch immer – die sexuelle Grundhaltung nicht willentlich gesteuert werden kann. Am Ende wurde mein Wunsch nach einer Beziehung zu einem Mann zu groß – und die langjährige Beziehung zu meiner Lebensgefährtin zerbröckelte nach und nach. Nun bin ich mit einem Mann zusammen und verheiratet. Und bin sehr froh um einen Freundeskreis, in dem alle Beziehungsformen vorkommen, und meine eigene innere Haltung, die geprägt ist durch viele Jahre, in denen man selbst erlebt hat, wie es ist, gleichgeschlechtlich zu l(i)eben.

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