Couchgeflüster. Ein ehrliches Buch übers Erwachsenwerden – ein Buchtipp

Sinah Edhofer und Leonie-Rachel Soyel schreiben in „Couchgeflüster“ über verschiedene Stationen des Erwachsenwerdens und geben Tipps an „Twenty-Somethings“, die sie selbst gerne mit Anfang 20 bekommen hätten.

Es gibt kein richtig oder falsch, wenn es um Wünsche im Bezug auf Bindung und Liebe geht. Aber ist der Gedanke, dass da draußen ein*e fixe*r Partner*in sein muss, nicht auch hinderlich? Nur mal ein Gedankenspiel: Was löst der Gedanke bei dir aus, nie wieder eine Beziehung zu haben oder haben zu müssen?

Meinem Dating-Game haben diese Überlegungen sehr geholfen. Denn ich glaube, wenn man sich zu verbissen diesem Thema widmet, bleibt einem die Freude daran erst recht verwehrt. Stattdessen habe ich für mich definiert, mit welcher Art von Menschen ich mich umgeben möchte. Was will ich auf einem Date erleben? Diese Frage hat dazu geführt, dass meine Dates an Qualität gewonnen haben. Ich konnte sie anders genießen. Ich habe mein Gegenüber
nicht mehr sofort als potenzielle*n Partner*in gesehen, auch wenn mir
wichtig war und ist, dass unsere Wertvorstellungen harmonieren. Aber
im Vordergrund stand für mich nun: Ich will eine schöne Zeit mit meinem
Date haben. Spoiler-Alarm: Durch meine entspanntere Einstellung kam
es viel häufiger dazu, dass mein Gegenüber mehr Interesse entwickelt hat.

Dazu kam natürlich auch, dass ich sehr klar in der Auswahl meiner Dates war. Wenn ich merkte, dass jemand Fuckboy-Tendenzen hatte, schoss ich ihn sofort in den Wind. Wenn ich mir bei einem Verhalten meines Dates unsicher war, ob ich es gut fand, stellte ich mir zwei einfache Fragen: Wie handle ich in solchen Situation und toleriere ich dies bei meinen Freund*innen? So selektierte ich recht schnell.

Ach ja, wo habe ich selektiert?

Auf Dating-Apps natürlich. Apropos: Deren Ruf ist schlechter, als sie in Wahrheit sind. Die Sozioökonomin Gina Potarca von der Universität Genf hat sich mit der Thematik beschäftigt und fand heraus, dass Menschen, die über Dating-Apps zusammenfinden, motivierter sind, Partnerschaften einzugehen. Die Bereitschaft, dass diese langfristig sind und/oder vor dem Traualtar enden, ist gleich hoch wie bei jenen, die auf „analogem“ Wege zu ihren Partnerinnen fanden. Spannend ist, dass die sozio-kulturellen Zusammensetzungen der Paare, die sich online kennenlernen, gemischter sind. Auch irgendwie logisch. Denn man swipet außerhalb der eigenen Bubble. Und das kann unfassbar bereichernd fürs eigene Leben sein.

Genau das war der Grund, weshalb ich gerne Dating-Apps genutzt habe. Ich arbeite als Selbstständige fast durchgehend allein, in einem Metier, in dem fast nur andere Frauen tätig sind. Also fiel die Partnersuche im beruflichen Umfeld weg. Mein Freundeskreis ist zwar sehr divers, aber ich habe nie im eigenen Freundeskreis gedatet. Da meine Lieblingstätigkeit Yoga eher weiblich dominiert ist, fiel auch dieser Dating-Pool weg. Also blieb oft nur das Fortgehen und naja, sagen wir so, die Ausbeute beim Feiern war auch nicht immer ein Highlight.

Um ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern: Ich habe Tinder zum ersten Mal in Holland genutzt, als ich in Amsterdam lebte und meiner besten Freundin in Wien begeistert davon berichtete. Sie dachte zunächst, Tinder sei eine neue Freundin von mir, die mir Männer vorschlägt und fand Tinder deshalb mehr als fragwürdig. Bis heute ist das meine Lieblingsanekdote, wenn es um diese App geht. Vielleicht hat meine Freundin nicht ganz Unrecht gehabt. Denn
innerhalb kürzester Zeit werden dir auf Tinder unzählige potenzielle Partner*innen vorgeschlagen. Das Biest ist maßlos: ein Swipe noch, vielleicht findest du jemanden, der/die noch besser ist!

Versteh mich nicht falsch, ohne Dating-Apps hätte ich die meisten meiner Beziehungen nicht getroffen und für manche Begegnungen bin ich mehr als dankbar. Aber ich sehe auch, dass ein gewisses Gefahrenpotenzial von Dating-Apps ausgeht, wenn man keine gesunde Beziehung zu sich selbst hat. Denn wann swipen wir? Oft in Momenten, in denen wir uns allein und/oder einsam fühlen. Nach welchen Kriterien gehen wir vor? Ästhetik. Auch in einer Bar würde man mit dem Menschen flirten, der einen äußerlich anspricht. Aber oft sind wir dann doch durch Mimik und Gestik beeinflusst, obwohl wir das vielleicht gar nicht so bewusst mitbekommen. Neben der Körpersprache beeinflusst uns natürlich auch das Gesagte bzw. der Duft des Gegenübers. All das sind Faktoren, die man auf Dating-Apps nicht hat.


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