Brief an den Ex, der eigentlich nie mein Partner war

Wenn die Gefühle unkontrollierbar werden: Unsere anonyme beziehungsweise-Autorin erlebte nach ihrer kürzesten Beziehung den größten Liebeskummer ihres Lebens

Wir lernten uns im Internet bereits vor über zehn Jahren über ein MMORPG, ein Online Rollenspiel, kennen. Über die Jahre hatten wir immer mal wieder sporadischen schriftlichen Kontakt, zu einem Treffen war es allerdings nicht gekommen. Vor drei Jahren wurde der Kontakt intensiver.

Wir skypten stundenlang und hatten ziemlich schnell einen verdammt guten Draht zueinander. Irgendetwas faszinierte mich bereits damals an dir. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht nur dein – zugegebenermaßen recht heißer – Akzent war. Wir sprachen über Gott und die Welt, auch über Interna unserer Beziehungen.

Es stellte sich dabei irgendwann heraus, dass wir beide in einer offenen Beziehung lebten. Wir diskutierten Vor- und Nachteile, irgendwie erleichtert, jemanden im Bekanntenkreis zu haben, mit dem wir darüber reden konnten. Deine Partnerin würde den Sommer über zwei Monate im Ausland studieren. Du nahmst dir Urlaub, sie gab ihr Okay, mein Partner ebenso und so buchte ich die Flugtickets. Anderthalb Wochen Aufenthalt, alles war möglich, nichts musste.

Unsere Telefonate wurden nicht weniger, mein Freund inzwischen leicht genervt, ich fuhr trotzdem zum Flughafen. Irgendwie war ich aufgeregt. Wusste ich doch so wenig, worauf ich mich wirklich einließ. Ja, hätte ich es gewusst, hätte ich mich wahrscheinlich trotzdem darauf eingelassen. Du holtest mich vom Flughafen ab in diesem grässlichen pinken Oberteil, das deine Figur und dein Selbstbewusstsein unterstrich. Ich war fasziniert.

Du nahmst meine Hand und zogst mich hinter dir her zum Fahrstuhl. Ich war irritiert von dieser Geste und zugleich eingenommen von dieser Vertrautheit, diesem Gefühl, das sich bereits da anbahnte. Zurückblickend führten wir in diesen anderthalb Wochen eine Beziehung. Du zeigtest mir die Gegend mit dem Fahrrad, wir verbrachten einen Tag in der Wellness-Oase, ich kochte für dich, ich schlief beim Filmeschauen auf der Couch an dich gekuschelt ein, wir teilten uns ein Bett, wir küssten uns, rückblickend taten wir jede Menge Dinge, die wir nicht hätten tun sollen.

Ich weiß noch, wie ich dir erzählte, was ich so an für mich gängigen Gerichten kochen kann und du erstaunt warst, dass ich dich und deine Wünsche darin einbinde, das kanntest du von deiner Partnerin nicht. Ich weiß noch, wie wir über unsere Partner sprachen und darüber, dass sich in unseren Beziehungen etwas ändern müsse. Ich weiß noch, wie du mich deinem Vater vorstelltest und weder er noch ich so ganz wussten, wie wir miteinander umgehen sollten, war es doch offensichtlich, dass zwischen dir und mir etwas lief.

Wir taten vieles, was wir nicht hätten tun sollen

Ich weiß noch, wie wir irgendwo im Nirgendwo auf dieser Bank am See saßen und versuchten, die Eisvögel zu zählen. Ich weiß noch, wie du mich küsstest und mir danach sagtest, dass das eigentlich ein Tabu für dich bei Affären sei, es mit mir aber irgendwie anders wäre. Ich weiß noch, wie du tausend andere Dinge sagtest, die mir das Gefühl gaben, etwas Besonderes zu sein, und die mein Herz schneller schlagen ließen.

Ich weiß noch, wie wir in eurer Küche saßen und 100 Gründe aufschrieben, warum wir als Paar so genial wären. Und wie du sagtest, dass wir den Zettel im Ofen verbrennen werden, damit deine Freundin dich nicht umbringt. (Ich nahm ihn übrigens mit.) Ich weiß noch, wie ich mich in dich verliebte …


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