Generation Kontaktabbruch. Wisch und weg?

Was mal eben schnell mit einem Wisch beginnt, endet ebenso rasch. Nie zuvor war es so leicht, Kontakte mit anderen Menschen zu knüpfen. Und nie zuvor wurden Menschen so lange hingehalten und kommentarlos verlassen. beziehungsweise-Chefredakteur Eric Hegmann über die Generation Kontaktabbruch

„Also ich bin ehrlich: Ich schreibe mit einem Kerl, wir treffen uns auch und verstehen uns gut und schreiben noch weiter und so. Irgendwann fängt er aber an, mir total auf den Sack zu gehen. Dann breche ich auch einfach den Kontakt ab. Ich schreib dann nicht: „Hör mal, lass mich mal in Ruhe, du gehst mir voll auf die Eier!“ Sondern antworte einfach nicht mehr.“ schreibt eine junge Frau in einem Forum.

Eine andere Frau antwortet: „Hm, naja. Auch nach zwei Dates finde ich das zwar noch doof, aber nicht ganz so dramatisch. Aber nach Monaten ist es tatsächlich noch mal was anderes – das geht nämlich wirklich gar nicht.“

Resümee einer Kommentatorin: „Kenne ich leider auch nur so. Irgendwie nervt unsere Generation Kontaktabbruch.“

Ghosting, Benching, Breadcrumbing, Firedooring

Ein Date ist kein Eheversprechen, ein Chat sowieso nicht. Erwartet auch niemand. Oder? Wenn ich mir Erfahrungsberichte über plötzlichen Kontaktabbruch durchlese, dann bin ich erstaunt, wie oft offenbar Bequemlichkeit und Feigheit siegen über wertschätzendes Miteinander. Und das ausgerechnet bei der Suche nach der großen Liebe. Wo man sich eigentlich doch von der besten Seite zeigen will, um auch die bestmögliche Partie von sich zu überzeugen. Stattdessen wird in das Instafoto eines Kartoffelsalats mehr Energie und Sorgfalt, ja, sogar Zärtlichkeit, investiert als in eine menschenwürdige Absage: „Sorry, das passt nicht mit uns. Alles Gute dir!“

Dazu eine ganz und gar nicht repräsentative Umfrage: Bei einem Vortrag fragte ich kürzlich in die Runde, wer bereits schon einmal Opfer von Ghosting wurde. Bei den Zuhörern unter 30 Jahre hoben nahezu alle die Hand. Nach einer kurzen Erläuterung, dass so aktuell das Phänomen „Kontakt verschwindet wie ein Geist und meldet sich nicht mehr“, genannt wird, hoben etwa die Hälfte der übrigen Zuhörer über 30 Jahre die Hand. Ich erzählte ein Beispiel aus der Prä-Smartphone-Prä-Mailbox-Ära, als verliebte Menschen tagelang – erfolglos und enttäuscht – neben dem nicht mobilen Telefonapparat verbrachten, um ja den ersehnten Anruf nicht zu verpassen: Ah, das ist also Ghosting! Nun hob auch der Rest die Hand. In dieser „Studie“ hatte also jeder Teilnehmer bereits einmal Ghosting erlebt.


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