Wir sind nicht aneinander gescheitert, sondern an uns selbst

Unsere anonyme Autorin erlebte die Liebe in schier unglaublicher Intensität. Doch für eine Beziehung mit Zukunft sollte es nicht reichen. Eine Liebesgeschichte, die ans Herz geht

Wir lernten uns über einen gemeinsamen Freund kennen, der mich dir vorstellte. Du hattest viel getrunken und ich half dir zum Taxi. Deine Jacke über meinen Schultern. Wir lachten viel und als wir bei dir ankamen, fragtest du mich, ob du mich küssen dürftest. Wir alberten herum und ich schickte dich ins Bett. Du sagtest, du würdest deine Tür offen stehen lassen. Das stand sie am nächsten Morgen noch immer. Und mit ihr stand auch der Vorabend zwischen uns. Romeo und Julia, so nanntest du uns im Spaß.

Bizarr, hätten wir damals schon gewusst, dass wir uns längst im ersten Akt befanden … Denn am nächsten Wochenende standst du vor meiner Wohnungstür. Unsere Reise zum Mond begann noch in dieser Nacht. Es folgten stundenlange Telefonate und intensive Wochenenden. Schon damals konnte keiner von uns erklären, wo diese Empathie und Vertrautheit zwischen uns zweien herkam. Und die Anziehung, als wäre es schon immer so gewesen. Vielleicht genossen wir es gerade deshalb so sehr. Zwei Monate voller Intimität und Vertrautheit, in denen wir uns unsere Leben anvertrauten. Du konfrontiert mit dem Tod deines leiblichen Vaters, ich dabei, das Vergangene hinter mir zu lassen. Und so sprachen wir über Gefühle, wie ich sie zum ersten Mal erlebte.

Der Altersunterschied spielte dabei nie eine Rolle. Es war vielmehr die Distanz, auch wenn jeder von uns sein ganz eigenes Thema damit hatte. Keine Erwartungen, keine Enttäuschungen, sagtest du oft. Nur verstand ich die Bedeutung dahinter erst zu spät. Herz über Kopf, das Bauchgefühl unterdrückt. Schließlich war das Herzklopfen doch immer da. Auch an jenem Tag, an dem du anriefst und sagtest, du könntest keine Fernbeziehung haben. Wie auch? Die Rollen waren längst verteilt. Ich konnte es nicht verstehen, fühlte mich ohnmächtig, taub. Zurückgelassen mit tausend Fragen, auf die ich keine Antwort fand. Zerbrochen, ohne wirklich gescheitert zu sein. Ich konnte das mit uns nicht vergessen, nur Abstand gewinnen. Ganz oder gar nicht, etwas dazwischen gab es nicht.

Deine Entscheidung fiel auf den einfachen Weg. Auch ich ließ mich schließlich auf einen neuen Weg ein.

Ein Jahr später, hunderte Kilometer voneinander getrennt, war die Sehnsucht dann doch noch immer größer als der Verstand. Der Pulsschlag höher und die Anziehung stärker als zuvor. Du nanntest es eine Zeitreise zurück. Doch der richtige Zeitpunkt kam auch dieses Mal nicht. Wir verpassten wieder einmal den Absprung. Wir spielten ein Spiel, bei dem wir einen Schritt nach vorne und anschließend wieder zwei zurück machten, aber nie zum finalen Zug kamen. Wir waren nicht bereit. Du, deine Freiheit aufzugeben. Ich, damit umzugehen, dass sich nichts geändert hatte.

Ich verlangte Funkstille. Es war der einzige Weg und doch kein leichter. Dennoch notwendig, um zu begreifen, dass es in der Liebe um Entscheidungen geht. Und darum, die Schutzmauern fallen zu lassen. Wir waren zu feige, um wirklich zu unseren Gefühlen zu stehen. Obwohl sie so stark und echt waren. Vielleicht war genau das immer der Grund, weshalb wir es nicht gewagt haben, als wir noch konnten. Was hätten wir zu verlieren gehabt? Nicht mehr als eine Chance, die wir letztendlich nie hatten.


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