Der männliche Jagdtrieb und weitere Geheimnisse der Evolution

Männer wollen erobern, heißt es. Aber sind Männer bei der Partnerwahl wirklich Jäger? Oder lassen die sich nicht eher von ihrem Wild auflauern?

Glauben wir Evolutionsforschern und Evolutionspsychologen gibt es Spielregeln zwischen den Geschlechtern, die lassen sich nicht wegdiskutieren. Für die Partnerwahl gelten vor allem diese zwei: Die Frau wählt und der Mann lässt sich erwählen.

Nun verhalten sich Menschen durchaus gelegentlich bewusst anders als es die evolutionäre Prägung erwarten ließe, denn unsere Gehirne haben sich schließlich doch einen Tick weiter entwickelt als die aller anderen Spezies. Wir ordnen unser gesellschaftliches Miteinander durch Regeln, die wir selbst gestaltet haben und über die wir bestenfalls sogar abstimmen dürfen. Die Natur hingegen kennt kein Landgericht und keine Religion. Keine Überlieferungen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Traditionen haben sich in vielen Jahren entwickelt und nicht wenige davon sprechen Frauen ihr Selbstbestimmungsrecht ab. Frauen wählen ihren Partner selbst? Das ist an sehr vielen Orten unvorstellbar.

Die Frau wählt und der Mann lässt sich erwählen

Im Technologiezeitalter wurden Algorithmen entwickelt, mit denen wir das Beziehungspotential von Menschen berechnen können, um ihnen Personen vorzuschlagen, mit denen sie voraussichtlich eine harmonische Partnerschaft führen werden. So ist es technisch heute möglich, dass Männern passende Partnerinnen vorgeschlagen werden. Die nehmen dann Kontakt mit den Frauen auf, sie treffen sich und vielleicht macht es “Klick” und aus ihnen wird ein liebevolles, glückliches Paar. Hat da nun tatsächlich die Frau gewählt? Oder war es nicht doch der Mann? Schließlich ging von ihm die Initiative aus. Und hält nicht auch heute noch der Mann um die Hand der Frau an? Allein diese beiden Beispiele widersprechen der “Frauen wählen”-Theorie. Oder?

Bleiben wir zunächst bei der technischen Lösung. Die meisten Frauen haben Hemmungen, beim Online Dating den ersten Schritt zu übernehmen. Sie lassen sich lieber anschreiben als selbst aktiv zu werden. Sie sammeln Bewerber, lassen diese dann mit ihren Fähigkeiten und Vorzügen ‘balzen‘, um sich schließlich für den besten Kandidaten zu entscheiden. Jeder Mann, der einmal ein Date hatte, weiß, wie das abläuft: sie fragt, sie checkt, sie prüft. Am Ende gibt sie sich schwer zu bekommen und lässt sich seine Verbindlichkeit beweisen, indem er sich innerhalb vordefinierter Dating Regeln bewegt und ihr – hoffentlich – Komplimente und Geschenke macht. Sie legt eine Menge Kriterien an, die ihr Auserwählter erfüllen muss. Er soll sie und ihre Kinder beschützen und versorgen können, sie soll seine erste Priorität sein und keine anderen Frauen neben ihr haben, er soll sie liebevoll behandeln und sich durch mindestens eine Eigenschaft von den Mitbewerbern unterscheiden: durch seine Kreativität, seinen Humor, seine Intelligenz, seine Kraft.

sie fragt, sie checkt, sie prüft – er balzt

Dagegen sind die Männer deutlich leichter von einer Partnerin zu überzeugen. Attraktiv soll sie sein, was evolutionär gleichbedeutend ist für Fruchtbarkeit, und fürsorglich, wobei sich hier vermutlich streiten ließe, ob ihm wichtiger ist, dass sie die Kinder gut behandelt oder ihn bei Männerschnupfen bemuttern kann – vermutlich beides. Allein daher ließe sich durchaus argumentieren: Wer mehr Auswahlkriterien anlegt als der andere, ist der, der am Zug ist. Unabhängig vom Verlauf der Kontaktaufnahme.

Und wie genau nun geschieht der erste Kontakt? Indem die Frau auf sich aufmerksam macht. Genau dafür wurden wohl Schmuck, Kosmetik und schöne Kleider erfunden. Jeder Flirt beginnt deshalb streng genommen mit der Einladung der Frau. Sie wird überall sofort erkennen, welcher Mann den meisten Raum beansprucht, also sich von den anderen Kandidaten abhebt, denn das zeigt, dass er in irgendeiner Disziplin besser ist als die Umstehenden. Hat sie Interesse, wird sie ihm das signalisieren. Durch einen Blick, durch ein Lächeln, durch ihre Körpersprache. Weil der männliche Sehnerv mit dem Testosteron verdrahtet ist, wird er eine solche Einladung einer attraktiven Frau umgehend als erotisch anziehend erleben.

Der Mann ist der Jäger, aber die Frau das Wild, das ihm auflauert

Woher stammt dann der Mythos vom männlichen Jagdtrieb? Weil die Frau, die leicht zu bekommen ist, das “Sich-Beweisen-Müssen” unnötig macht. Weil die Frau, um die sich mehrere Kandidaten bemühen, offenbar begehrenswert ist und deshalb die Anstrengungen der Balzrituale ein guter Einsatz sind.

Stimmt das auch bei Alpha-Männern? Ein klares Jein. Status, Einfluss, Dominanz und auch Aussehen oder Bankkonto können das Prinzip teilweise umdrehen. Da bewerben sich tatsächlich eher die Damen um den einen Herrn, keine Frage. Dennoch heißt es im Volksmund dann: Sie hat sich ihn ‚geschnappt‘.

Ob schnappen, auflauern oder jagen: Wichtig ist nicht, wie Sie Ihren Liebsten gefunden haben oder wer den ersten Schritt unternahm, sondern nur, dass der passende Partner an Ihrer Seite ist. Der Evolution kann Glück egal sein, Ihnen aber doch hoffentlich nicht!


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