Der Mann, der mein Leben veränderte

Der Gefühlsorkan klopft nicht an – er überrollt dich ohne Warnung. Und hinterher ist einfach nichts mehr, wie es einmal war…

Manchmal erwischt es einen einfach mit voller Breitseite. Ein Knall, ein Peng durch Mark und Bein und überhaupt gar nichts ist mehr, wie es vorher war. Natürlich passiert das nicht, wenn man danach sucht, sich vielleicht sogar sehnt nach dem großen Gefühlsorkan. Er kommt einfach so, wenn du ihn am wenigsten erwartest, ihn möglicherweise gerade nicht mal wirklich gebrauchen kannst in deinem Leben, das doch eigentlich ziemlich in Ordnung ist. Gerade dann schlägt er zu – wild und gnadenlos.

Mein Lebenslauf war lückenlos. Die Studienzeit neigte sich langsam aber sicher ihrem Ende zu und meine Freunde planten nach und nach den Schritt in ihre berufliche oder familiäre Zukunft. Seit zwei Jahren waren Anton und ich ein Paar, er hatte die Uni gewechselt, wurde Kommilitone, ein Freund, mein Freund. Weil es uns finanziell schlau erschien, räumten wir nun unsere Zimmer und ich ging mit. In seine neue Wohnung in der neuen Stadt, die seinen Traumjob parat hielt. Zwischen all unseren Dingen quälte ich mich einen Sommer lang durch die Abschlussarbeit, die für ihn vorerst auf Eis lag. Und dachte dabei nur an eins: Raus hier, nur eine Weile. Wenn noch einmal ausbrechen, dann jetzt – was, wenn sich später keine Chance mehr bietet? Ich wollte in die Welt, nur für mich, allein.

Her mit dem schönen Leben!

Als ich vier Monate später in den Flieger nach Australien stieg, weinte ich trotz Vorfreude bittere Tränen. Ich würde ihn vermissen, diesen witzigen, ehrlichen, guten Mann. Der nur mich sah, wenn er an morgen dachte, während ich erstmal herausfinden wollte, wer dieses Ich überhaupt ist. Doch ich war noch nie besonders gut darin, Kontakte auf Distanz zu pflegen, und so wurden unsere Skype-Gespräche seltener, die Nachrichten immer kürzer, das Vermissen ließ nach. Meine Tage waren lang, aufregend und voller Farben, während seine mir eintönig und sinnlos erschienen. Der deutsche Regen, der Alltagstrott – lieber lauschte ich den einheimischen Geschichten und zog ohne Pflichten und Pläne von hier nach da. Und da war es endlich: das Gefühl, frei, unabhängig, am Leben zu sein.

Ich hatte vergessen, wie es sich anfühlte, völlig überwältigt zu werden. Als Ian mir das erste Mal gegenüberstand, hinter dem Tresen des kleinen Hostels, verlegen grinsend und braungebrannt, begannen sämtliche Alarmglocken in meinem Körper gleichzeitig zu schrillen. Die Stimme, die Hände, das Lachen, die Art, wie er meinen Namen aussprach. Er sagte, am Abend gebe es für alle Backpacker eine Runde Cocktails aufs Haus hinten am Pool, doch ich lehnte ab. Stattdessen nutzte ich die Ruhe im Haus für ein Videotelefonat in der Computerecke, es wurde längst mal wieder Zeit. Doch klar, insgeheim zog es mich nach draußen, und so war ich mürrischer und liebloser als ich wollte, brachte nur wenig Interesse auf. Für das Gehabe des neuen Kollegen, die fortschreitende Balkonsanierung, den knappen Sieg gegen den Spitzenreiter durch sein Tor. Alles viel zu weit weg, um relevant zu sein.


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