Ja, nein, vielleicht! Ein Mutmachbuch

Was macht Bindungsangst aus uns? Die Psychotherapeutin Stefanie Stahl schreibt über die bewusste und unbewusste Angst vor Nähe. Ein Buchauszug – nicht nur für aktive Beziehungsverweigerer

Woran erkennt man Angst vor Nähe?

Bindungsangst kann auf sehr unterschiedliche Arten zum Ausdruck kommen. In machen bindungsängstlichen Beziehun­gen geht es turbulent zu, mit krassen Wechseln zwischen Nähe und Di­stanz. Aber es gibt auch bindungsscheue Naturen, die eher kon­stant Abstand halten, selbst wenn sie sich in einer Ehe oder Dauerbeziehung befinden. Einer oder beide Partner vermeiden Nähe, indem sie beispielsweise viel arbeiten, intensive Hobbys pflegen, Konflikte unter den Teppich kehren, lustlos sind und die Nähe zum Partner knapp dosieren. Diese Beziehungen sind also weniger durch Achterbahnfahrten denn durch eine gewisse Erstarrung gekennzeichnet. Einige Betroffene fühlen sich abhängig und ausgeliefert, wenn ihnen ein Partner zu nah kommt. Sie haben so viel Angst, verletzt zu werden und den Partner zu verlieren, dass sie das Weite suchen. Damit haben sie das befürchtete Ende wenigstens selbst unter Kontrolle.

Bei anderen stehen eher diffuse Druckgefühle und ein starker Freiheitswunsch im Vorder­grund. Wieder andere arrangieren ihre Bezie­hungen unbewusst so, dass sie einem schwer erreichbaren Partner hinterherlaufen und ihre Bindungsangst passiv ausleben.

Bevor der andere geht, läuft man lieber selbst davon

Häufig kommen den aktiv Flüchtenden die Liebesgefühle für ihren Partner abhanden, sobald die Beziehung so verbindlich wird, dass sie in ihnen Angst, Stress und Druckgefühle auslöst. Die Partner, die hinter dem Näheflüchter herlau­fen, erscheinen durch ihr Klammern noch unattraktiver.

Mit dem Verlust von Liebesgefühlen geht meistens auch die erotische Anziehungskraft verloren. In vielen bindungsängstlichen Beziehungen herrscht darum erotische Funkstille.

Nach einer stürmischen Anfangszeit gehen Liebe und Erotik verloren

Menschen, die unter Bindungsangst leiden, können schlecht mit Erwartungen ihrer Partner umgehen: Erwartungen, ob eingebildet oder tatsächlich vorhanden, lösen in ihnen Druckgefühle aus. Sie fühlen sich durch die Ansprüche ihrer Partner schnell fremdbestimmt, zumindest dann, wenn die Beziehung nah und verbindlich wird. Auch deswegen verspüren sie einen star­ken Drang, aus der Beziehung zu flüchten. Dies tun sie nicht nur, indem sie die gemeinsame Zeit begrenzen, sondern auch, indem sie sich wenig öffnen und oft ihr eigenes Ding durchzie­hen. Der aktiv Flüchtende bestimmt normaler­weise im Alleingang, wieviel Nähe er in der Be­ziehung zulässt. Zudem legt er sich ungern fest und eiert um verbindliche Zusagen, wie bei­spielsweise zu einer gemeinsamen Wohnung, Heirat oder Familienplanung herum. Aber auch Fremdgehen, Dreiecks­ und Fernbeziehungen können Anzeichen für Bindungsangst sein. Kurzum tun aktiv Bindungsängstliche viel dafür, um immer eine gewisse Distanz zu ihrem Partner aufrechtzuerhalten oder erst gar keine feste Beziehung eingehen.

Stefanie Stahl: “Ja, nein, vielleicht!”
Mit Illustrationen von Kai Pannen
ISBN: 978-3-466-31038-8
erhältlich für 9,99€ im Kösel-Verlag

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